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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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dem Hügel gibt es Fische?« Sandor grinst. Er wiederholt meine Geste und jetzt sehe ich, dass ich sie zu flach ausgeführt habe. Senkrecht bedeutet das Zeichen Feuer, waagerecht Fisch.
    Noch mal. Je öfter man etwas übt, desto mehr verinnerlicht man es. An der Akademie haben wir es nicht anders gemacht, man darf nur keine Monotonie aufkommen lassen. Jedes Mal ist wie das erste Mal, nur besser.
    »Du wirst sehr bald sehr gut sein.« Sandor nimmt meine Hände in seine und haucht darauf. Ich habe gar nicht gespürt, wie kalt sie geworden sind. »In allem, nicht nur im Zeichengeben. Du lernst schneller als jeder andere Mensch, den ich kenne.«
    »Ich habe mein ganzes Leben lang nichts anderes getan.« Ich kann im letzten Moment verhindern, dass es weder wie eine Entschuldigung klingt noch arrogant.
    Sandor schließt seine Finger fester um meine. »Erzähl es mir. Was war das Beste an den Sphären? Was das Schlimmste?«
    »Das Beste waren die Menschen«, antworte ich, ohne zu zögern. »Nicht alle, aber viele von ihnen. Und die Momente, in denen ich allein war, in der Wärme, mit ein wenig Zeit, um meine Gedanken zum Stillstand kommen zu lassen. Wenn etwas vor mir lag, auf das ich mich freuen konnte.« Ich beiße mir auf die Unterlippe, denke nach. Was noch? »Sicherheit. Vielleicht war sie das Beste, obwohl ich fast nie darüber nachgedacht habe. Ich hatte nur selten Angst, dass etwas wirklich Schlimmes passieren könnte.«
    Sandors Stirn ist in krause Falten gezogen, ich kann direkt sehen, wie er seine gesamte Vorstellungskraft aufwendet, um einen solchen Zustand nachvollziehen zu können. Sicherheit.
    »Und das Schlimmste?«
    Um darauf eine ehrliche Antwort geben zu können, muss ich länger überlegen. Was hat mich früher nervös gemacht, mir schlaflose Nächte bereitet?
    Die Reihung. Die Befürchtung, meinen Status zu verlieren, meine Mentoren zu enttäuschen, zu versagen. Das und schlechte Nachrichten, die es immer wieder gab, trotz allem.
    Das alles erzähle ich Sandor, auf die Gefahr hin, dass er es lächerlich findet. Auch von Lu erzähle ich ihm noch einmal, meiner Freundin, mit deren Tod alles begonnen hat, und diesmal fragt Sandor nach.
    »Weißt du Genaueres? Von dem Überfall?«
    »Nur, dass es knapp nach dem Aussteigen aus der Magnetbahn passiert sein soll. Wenn es solche … Zwischenfälle gab, haben wir nie Details erfahren.«
    »Waren wertvolle Güter in der Bahn? Oder nur Menschen?«
    Ich habe Lu damals zur Abfahrtsstelle begleitet und ihr nachgewinkt. Es war ein kleiner, schlanker Zug, in den sie eingestiegen ist, ohne massige Transportwaggons.
    »Keine Güter, denke ich.«
    »Dann muss es ein sehr dummer Clan gewesen sein, wenn er einen Überfall riskiert, bei dem es nichts zu erbeuten gibt.«
    Auch wenn der Gedanke mir selbst immer wieder durch den Kopf gegangen ist, trifft mich die versteckte Bedeutung hinter Sandors Worten. Ist Lu tatsächlich von unseren eigenen Leuten getötet worden? Hat man sie ebenfalls für eine Verräterin gehalten?
    »Es könnten Schlitzer gewesen sein«, entgegne ich ohne rechte Überzeugung. »Die ihre Feinde … essen.«
    »Schlitzer überfallen keine Transporte. Dazu sind sie nicht gut genug organisiert oder ausgerüstet. Ihre Opfer sind erschöpfte Wanderer, die sich verirrt haben. Übermütige Menschen, die sich von ihrer Gruppe trennen und ihren Weg allein suchen.«
    Ich erinnere mich an die zwei toten Schlitzer – die einzigen, die ich bisher gesehen habe. An ihre spitz gefeilten Zähne. »Vielleicht sollten wir die Klappe nach oben schließen. Was meinst du?«
    Immer noch hält Sandor meine Hände. »Dass wir dann im Dunkeln sitzen würden. Mach dir keine Sorgen. Wenn Schlitzer hier wären und uns überfallen wollten, müssten sie einzeln hinuntersteigen, und das wäre eine schlechte Idee.«
    Das mulmige Gefühl bleibt, aber ich habe nicht vor, Sandors Einschätzung anzuzweifeln. »Erzähl du mir von eurem Leben«, wechsle ich das Thema. »Davon, wie ihr die Lange Nacht überstanden habt. Und die Zeit danach.« Insgeheim hoffe ich, dass vielleicht Jordans Name fallen wird. Dann könnte ich Sandor die Chronik-Seiten zeigen und mir die weiteren Geschehnisse von ihm berichten lassen. Dann müsste ich nicht länger Kunstfachbücher durchsuchen.
    »Ich habe die überlieferten Geschichten gehört, darüber, wie es war, damals, aber ich kann es mir trotzdem nicht vorstellen«, meint er nach kurzem Zögern. »Es sind so viele damals gestorben, Millionen. An Hunger,

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