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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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hochgerappelt. Quirin will, dass ich gehe, aber Sandor hat mich gebeten, zu bleiben. Keine Frage, wofür ich mich entscheide.
    Die Minuten ziehen sich in die Länge, aber diesmal schlafe ich nicht ein, sondern nutze die Zeit, um zu prüfen, ob die neue Situation trotz aller Tragik nicht auch ihre positiven Seiten hat. Sandor ist jetzt der Fürst – und ich habe an der Akademie nicht nur gelernt, wie ich selbst als Anführerin zu handeln habe, mindestens ebenso gut kann ich einen Anführer unterstützen. Ich weiß, wie man Menschen auf seine Seite zieht. Das werde ich Sandor lehren, im Austausch gegen weitere Lektionen in Bogenschießen und Zeichensprache.
    War da ein Geräusch hinter der schweren Holztür? Ich bin mir nicht sicher und es kommt niemand heraus. Besser, ich stelle mich darauf ein, dass es länger dauert.
    Der Boden ist kalt, ich stehe fröstelnd auf. Es ist jetzt so ruhig hier, dass meine eigenen Atemzüge die lautesten Geräusche sind. Fiore und Bojan sind gegangen, um den Clan zu informieren. Ich bin allein mit meinen Gedanken und dem toten Vilem im Nebenraum. Die Tür ist nur angelehnt. Meine letzte Chance, mich zu verabschieden.
    Was du zu Ende bringst, wird dich nicht verfolgen . War es Grauko, der das zu mir gesagt hat, oder Baja? Ich kann mich nicht erinnern, aber es war ein guter Rat.
    Die Tür zu der Kammer öffnet sich mit einem leisen Knarren. Sie haben Vilem bis zum Kinn zugedeckt und seine Augen geschlossen. Sein Mund steht leicht offen, die Wangen sind eingefallen. Ich streiche darüber, über die raue Haut und den Bart.
    »Danke, dass du uns geschützt hast. Das war nicht selbstverständlich. Wir werden nicht dabei sein können, wenn dein Clan von dir Abschied nimmt, aber wir werden an dich denken und dich nicht vergessen.«
    Rituale zur Ehre von Toten sind nur eine Therapie für die Lebenden . Dieser Spruch stammt von Grauko, da bin ich mir sicher. Wie steht es dann mit Versprechen an Tote? Gibt man die in Wahrheit auch nur sich selbst?
    »Ich werde Sandor mit meinem ganzen Wissen beistehen, so gut ich kann. Auch gegen die Sphären. Das ist –«
    Ich führe diesen Satz nie zu Ende.
    Die Tür des Nebenraums fliegt auf, ich höre, wie das Holz gegen die Mauer kracht und Quirin »Bleib stehen!« ruft.
    »Lass mich!« Sandors Stimme vibriert. »Hör auf zu reden. Ich ertrage es nicht, ich –« Er unterbricht sich abrupt, als er mich aus Vilems Sterbezimmer treten sieht. Sein Anblick bringt mich einen Moment lang aus der Fassung. Zitternde Hände, das Gesicht unter dem schwarzen Haarschopf ist weiß wie frischer Schnee.
    »Was ist passiert?« Als ich auf ihn zugehe, weicht er zurück. Schüttelt den Kopf.
    Seine Ablehnung trifft mich tiefer, als ich es mir hätte vorstellen können. Ich begreife nicht, was geschehen ist, was in so kurzer Zeit überhaupt geschehen konnte.
    »Willst du nicht mit mir sprechen?« Es kostet mich unglaublich viel Kraft, meine Stimme ruhig zu halten. Sandor schluckt, schließt die Augen. Schüttelt noch einmal den Kopf.
    »Es wäre wirklich besser gewesen, du hättest auf mich gehört und wärst in dein Quartier zurückgegangen«, sagt Quirin hinter mir.
    Ich wirble zu ihm herum. Am liebsten würde ich ihn packen und schütteln, damit er rückgängig macht, was er hinter der verschlossenen Tür mit Sandor angestellt hat. Er muss ihm irgendwelche Lügengeschichten erzählt haben. Aber warum? Quirin war doch die ganze Zeit auf unserer Seite. Liegt es daran, dass Sandor und ich einander nähergekommen sind? Ist es für einen Clanfürsten nicht akzeptabel, sich in eine ehemalige Sphärenbewohnerin zu verlieben?
    »Was habt ihr da drinnen besprochen?«
    Mitleid in Quirins Augen. »Am besten, du gehst jetzt, Ria. Wir sind alle müde, traurig und erschöpft.«
    Ich denke nicht daran. Nicht, bevor mir jemand eine Antwort gegeben hat. »Was hast du zu Sandor gesagt?«
    »Nur das, was er wissen muss.«
    Aha. »Und mich kannst du nicht einweihen, vermute ich.«
    Sandor gibt ein Geräusch von sich, das ein Lachen oder ein Schluchzen sein könnte, er schlägt die Hände vors Gesicht und wendet sich ab. Als ich zu ihm laufe und meinen Kopf an seine Schulter lege, stößt er mich, zu meinem Erstaunen, nicht fort.
    »Ich weiß nicht, was Quirin dir erzählt hat. Wenn es darauf hinausläuft, dass wir dem Clan schaden wollen, dann stimmt es nicht. Das musst du mir glauben. Ich würde auch dann nicht mehr in die Sphären zurückgehen, wenn sie mich wiederhaben wollten.«

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