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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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denke, das ist dir auch lieber so.«
    Ins Schwarze getroffen. Es ist mir immer unangenehm, beobachtet zu werden, ohne dass ich es weiß. Andererseits – hier wird mir deshalb niemand Punkte abziehen oder Sonderlektionen aufbrummen. Ich bin nicht mehr an der Akademie.
    Ich vergrabe mein Gesicht in Sandors Halsbeuge, er riecht so gut. Wenn ich den Rest meines Lebens damit verbringen könnte, ihn einzuatmen und seine Hände an meinem Rücken und in meinem Haar zu spüren, wäre ich zufrieden.
    Dann küsst er mich und diesmal sind keine Nachtläufer da, vor denen wir fliehen müssen. Ohne seine Lippen von meinen zu lösen, hebt er mich hoch und trägt mich zu einer Nische, die von zwei Säulen halb verdeckt wird. Ein Unterschlupf, in dem wir gemeinsam zu Boden gleiten.
    Meine Lampe ist ausgeschaltet und in dem spärlichen Mondlicht, das durchs Fenster fällt, sehe ich kaum mehr als Sandors Umrisse, als er sich über mich beugt.
    »Komm, Liebling«, flüstert er. »Küss mich. Küss den Prim.«
    Ich möchte lachen und weinen zugleich. Meine Arme schlingen sich um seinen Nacken und diesmal hat unser Kuss nichts Vorsichtiges. Ich lasse mich fallen. Keine Vernunft, kein Denken, keine Angst, keine Logik. Ich betrete fremdes Land und es ist wunderschön.
    Ich weiß nicht, wie lange es dauert, aber irgendwann halten wir inne, wie auf ein unsichtbares Zeichen hin. Es ist weder der richtige Ort noch die richtige Zeit, um weiterzugehen.
    »Bald«, flüstert Sandor und fährt mit einem Finger die Konturen meiner Lippen nach.
    »Ja. Bald.« Ich brauche keine Sonne mehr, solange ich ihn sehen und hören und spüren kann.
    Wir richten uns auf und ich ordne meine Kleidung. »Sollen wir gemeinsam zu Vilem zurückgehen?«
    »Nein. Ich zuerst. Komm du in ein paar Minuten nach. Ich will nicht, dass sie denken …«
    Nein, das möchte ich auch nicht. »In Ordnung. Ich warte.«
    Sandor ist kaum hinter den beiden Säulen hervorgetreten, als das Geräusch eiliger Schritte auf uns zukommt und kurz darauf eine kreisrunde Lichtscheibe suchend über die Wände gleitet.
    »Sandor! Bist du noch da?« Es ist Fiore und das Schwanken in ihrer Stimme verheißt nichts Gutes.
    »Hier.« Er tritt in die Mitte des Raumes und ich sehe, wie der Lichtschein ihn trifft. Das dunkle Haar fällt ihm jetzt offen auf die Schultern, ich muss versehentlich das Lederband gelöst haben, das es zuvor im Nacken zusammengehalten hat.
    »Es ist … Wir müssen …« Sie stößt zitternd den Atem aus. »Quirin sagt, du sollst kommen. Beeil dich.« Ein schneller Rundumblick. »Ist Ria schon fort?«
    »Nein. Sie ruht sich nur aus. Lass uns gehen.«
    Gemeinsam laufen sie den Gang entlang, den Fiore gekommen ist. Ich bin wieder allein in der Halle.
    Langsam krieche ich hinter den Säulen hervor; das Glück, das ich eben noch empfunden habe, verwandelt sich mit einem Schlag in schlechtes Gewissen. Wir hätten bei Vilem bleiben müssen.

18
    Er atmet flach und so schnell, als wäre er meilenweit gelaufen. Sein Gesicht ist nicht mehr weiß, sondern grau, und er zittert am ganzen Körper. Über ihn gebeugt steht Quirin und spricht leise auf ihn ein. In seiner Miene kann ich schon jetzt den Schmerz über den bevorstehenden Verlust lesen; Quirin hat genug Erfahrung, um zu wissen, dass dies hier das Ende ist.
    Ich komme mir wie ein Eindringling vor. An meiner Stelle sollte Vilems Familie in diesem Zimmer sein, seine Freunde.
    Sandor hebt Vilems Oberkörper an, um ihm das Atmen zu erleichtern, und während ich vorhin noch Zuversicht in seinen Augen gesehen habe, erkenne ich jetzt darin nur noch die Furcht vor dem Unausweichlichen. Es sind Vilems letzte Minuten und alle im Raum haben es begriffen. Bojan beginnt bereits damit, Fiore zu trösten, die ihn aber brüsk von sich stößt.
    Ich schlüpfe wieder nach draußen. Ich kann nicht helfen und ich will nicht zusehen. Es ist erst wenige Tage her, dass eine Freundin mir unter den Händen weggestorben ist; so viel Tod auf einmal ertrage ich nicht.
    Im Nachbarraum finde ich einen wackeligen Stuhl und setze mich. Es ist der Gedanke an Aureljo, der mich davon abhält, ins Gewölbe zurückzukehren. Ich könnte ihm nicht in die Augen sehen, ohne ihm zu erzählen, was zwischen Sandor und mir vorgefallen ist. Gleichzeitig müsste ich die Nachricht überbringen, dass Vilem stirbt. Für beides habe ich heute keine Kraft mehr, aber wenn ich mich ein wenig ausruhe, kurz die Augen schließe …
    Wie viel Zeit vergangen ist, weiß ich nicht, aber

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