Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
Vom Netzwerk:
Nachrichten.« Die Fröhlichkeit in seiner Stimme ist zwar gespielt, klingt aber nicht gekünstelt. »Gerade eben haben wir die letzten sieben Nachtläufer aus unserem Territorium gejagt. Vorher haben wir ihnen noch die Waffen abgenommen – ich habe einen prächtigen Langbogen für dich reserviert.«
    Vilem stöhnt, seine trockenen Lippen bewegen sich. Lächelt er?
    »Die Männer schicken dir ihre Grüße, sie warten darauf, dass du zurückkommst. Andris vertreibt jeden von der Tafel, der es wagt, sich auf deinen Stuhl zu setzen.« Sandor spricht weiter, berichtet von alltäglichen Kleinigkeiten, wie den Erfolgen der Sammler und der Geburt eines Zickleins. Ich kann sehen, wie Vilem sich allmählich entspannt. Sein Atem geht immer noch in hektischen Stößen, aber er wirkt nicht mehr, als hätte er Schmerzen.
    Sandors Anwesenheit lässt auch mich ruhiger werden. Meine Erschöpfung verwandelt sich in Müdigkeit, die beinahe etwas Wohliges an sich hat. Ich beobachte ihn, jede seiner Gesten, jede Regung seines Gesichts. Er wird ein guter Fürst sein, wenn es so weit ist. Mitfühlend, ehrlich, Vertrauen einflößend. Die Menschen werden ihn lieben und auf ihn hören. Aber bis es so weit ist, wünsche ich ihm noch Zeit.
    Falsch, korrigiere ich mich pflichtschuldig. Ich wünsche uns noch Zeit. Als Clanfürst wird Sandor andere Dinge zu tun haben, als einem Mädchen aus den Sphären Zeichensprache und Bogenschießen beizubringen.
    Das Gefühl, beobachtet zu werden, lässt mich den Kopf zur Seite wenden und tatsächlich begegne ich Quirins Blick, der sorgenschwer und grüblerisch auf mir liegt. Der Ausdruck verschwindet sofort, als hätte ich Quirin bei etwas sehr Persönlichem ertappt, und wird durch ein aufmunterndes Lächeln ersetzt.
    »Du hältst dich tapfer, Ria. Aber wenn du möchtest, kannst du nun zu deinen Freunden zurückkehren. Fiore ist wieder ausgeruht, sie und Bojan werden sich die Nacht über um Vilem kümmern. Und ich bin ja auch noch da.«
    »Danke. Aber ich bin nicht müde.« Täusche ich mich oder wäre es Quirin lieber, ich würde seinen Vorschlag annehmen?
    »Ich würde mir allerdings gern die Füße vertreten«, füge ich hinzu. »Ist die Halle im Moment sicher für mich?«
    Quirin nickt. »Wir haben alle Zugänge verriegelt. Wenn jemand hereinwill, muss er sich erst bemerkbar machen.«
    Auf dem Marmorboden sind meine Schritte geräuschlos. Die Statuen der früheren Herrscher – steinerne Dauerbewohner von Quirins Reich – werfen bizarre Schatten im Licht meiner Stablampe.
    Ich drehe einige Runden unter der Kuppel, die Bewegung ist genau das, was ich gebraucht habe. Am liebsten würde ich rennen. Wann habe ich das das letzte Mal getan? In den Gängen unter der Stadt ist es unmöglich – zu wenig Licht, zu viele Hindernisse und Unebenheiten. An der Oberfläche war ich nicht oft, und sogar bei diesen Gelegenheiten habe ich mich langsam und vorsichtig bewegt, um möglichst keine Geräusche zu verursachen.
    Meine Muskeln spannen sich wie von selbst. Ich werde einmal quer durch das Oval laufen, bis zu dem riesigen Fenster, dabei werde ich meine Lampe auf den Boden richten, um nicht versehentlich nach draußen zu leuchten. Doch selbst wenn das passiert, wäre es nicht schlimm – kein nächtlicher Beobachter wird mich hinter dem Lichtkegel erkennen können.
    Ich atme durch und renne los. Es fühlt sich so befreiend an, dass ich gern laut lachen würde. Am Fenster mache ich kehrt und laufe zurück. Laufen, ohne verfolgt zu werden, ohne Gefahr im Nacken, ist fast wie fliegen. Noch eine Runde. Noch eine.
    Bei meinem sechsten Lauf durch den Saal fällt mein Lichtkegel auf mit Lederriemen umwickelte Stiefel. Ich bremse ab, so schnell ich kann, trotzdem pralle ich fast gegen Sandor, der im letzten Moment die Arme ausbreitet und mich auffängt. Er drückt mich an sich, streicht mir übers Haar.
    »Tut mir leid«, sage ich beschämt. Was ist eigentlich in mich gefahren? Ein paar Meter entfernt liegt ein Mann, der mir Unterschlupf gewährt hat, und ringt um sein Leben, während ich herumtolle wie ein kleines Kind.
    »Entschuldige dich nicht.« Sandor dreht eine meiner Haarsträhnen zwischen den Fingern. »Du hättest dich sehen sollen. So wunderschön. Ohne deine übliche Selbstkontrolle, wie ein Tanz gegen den Tod. Ich hätte dir stundenlang zusehen können.«
    Ich hebe den Kopf. Sein Gesicht ist ganz nah an meinem. »Und, hast du?«
    »Nein. Ich bin gerade erst gekommen und du hast mich gleich bemerkt. Ich

Weitere Kostenlose Bücher