Die Verschworenen
schlingt die Arme um sich, sieht weg, sieht mich wieder an, dreht sich zur Seite. »Ich wünschte, wir wären uns nie begegnet.«
Diesen Schlag mit unbewegter Miene einzustecken, kostet mich all meine Kraft. Ich möchte gleichzeitig weinen, mit den Fäusten auf Sandor einhämmern und ihn küssen.
Einatmen, ausatmen. Die Woge legt sich.
»Ich war nicht dabei, als du deine Meinung über mich geändert hast«, sage ich. »Ich konnte Quirin nicht widersprechen. Alles, was ich möchte, ist, fair behandelt zu werden. Ich bin mir keiner Schuld bewusst. Im Gegenteil, ich habe deinen Clan vor einer Giftattacke meiner eigenen Leute bewahrt.« Ich mache einen Schritt auf Sandor zu, einen kleinen. »Zeigt dir das nicht, auf welcher Seite ich stehe?«
Jetzt erkenne ich Schmerz in seinem Blick. Den Wunsch, fortzulaufen. Die Wut über diesen Wunsch.
»Es geht nicht um Seiten. Es ist so viel schwieriger als das. Tatsache ist … ich bin seit gestern für den Clan verantwortlich.« Er lacht kurz und bitter auf. »Glaube mir, hätte ich gewusst, was das bedeutet, ich hätte mich nie als Than zur Verfügung gestellt.«
Schwankt er? Wenn ja, dann hat er sich sofort wieder unter Kontrolle.
»Geh, Ria. Zu den anderen. Ich kann dich nicht länger ansehen, ohne …«
Der Ausdruck in seinem Gesicht, wenn er meinen Namen ausspricht. Nein, ich täusche mich nicht. Alles, was ich empfinde, sehe ich auch in seinen Augen. Er hasst mich nicht, egal, was Quirin erzählt hat. Unter meinem forschenden Blick wendet Sandor sich ab.
»Geh! Bitte!«
Starke Emotionen sind für mich das, was Griffe in einer Eiswand für Kletterer sind. Ich kann mich einhaken und Halt finden, mich weiter meinem Ziel entgegenziehen, und genau das werde ich jetzt tun. »Ich gehe, wenn ich die Wahrheit kenne. Das verspreche ich.« Ich bin nah genug bei ihm, um ihm behutsam eine Hand auf den Rücken legen zu können, und fühle, wie er zitternd einatmet.
»Was war es, das Quirin mit dir besprochen hat?«
»Hör auf«, murmelt er.
»Ich lasse mich nicht täuschen«, sage ich sanft. »Ich kann sehen, wie zerrissen du innerlich bist. Dass du noch das Gleiche für mich empfindest wie vor zwei Tagen.«
»Bitte. Hör auf.«
Ich setze alles auf eine Karte. »Du bedeutest mir so viel, Sandor. Ich habe die Menschen studiert und bin noch nie zuvor jemandem wie dir begegnet. Ich gebe dich nicht auf. Keinesfalls ohne Grund.«
Sein Rücken hebt und senkt sich unter einem tiefen Atemzug. Dann wendet er sich blitzschnell zu mir um und packt meine Handgelenke. »So«, wispert er, kaum hörbar. »Du brauchst also einen Grund?«
»Ich –«
»Schon gut, das kann ich verstehen.« Er zerrt mich auf sich zu, unsere Gesichter sind sich so nah, dass wir uns küssen könnten, würde sich einer von uns nur ein winziges Stück vorbeugen.
Du , möchte ich sagen. Vertrau mir doch. Sag mir, was dich so quält, und wir lösen das Problem gemeinsam.
Er schluckt schwer, presst die Lider zusammen. »Wenn du einen Grund brauchst, sollte ich dir wohl einen liefern.« Der Griff um meine Handgelenke wird schmerzhaft eng. Ich beginne, mich zu wehren, aber Sandor ist viel zu stark. »Sieh mich an«, fordert er. »Ich bin ein Prim und ich verhalte mich wie ein Prim. Unberechenbar und grausam, wie man es dir in den Sphären erzählt hat. Deine Lehrer hatten recht, weißt du? Vor uns muss man sich in Acht nehmen.«
Er versetzt mir einen Stoß, ohne meine Handgelenke loszulassen.
Ich stolpere nach hinten, falle aber nicht. »Sandor –«
Er lacht auf. »Es wird leichter für dich, wenn du dir bewusst machst, wie dumm du warst, dich in einen Prim zu verlieben. Wir sind so, weißt du? Ein bisschen gerissener, aber nicht viel besser als die Schlitzer.« Sein Gesichtsausdruck macht mir Angst. Wenn er mir gleich die Hände um den Hals legt und zudrückt, wäre ich nicht erstaunt.
Wieder lacht er, schüttelt den Kopf, als könnte er die Situation nicht fassen. »Manche Zufälle sind kaum zu glauben. Dass du mich hier findest …«
Ich sehe das Aufblitzen in seinen Augen – das wäre der Moment, in dem ich mich in Sicherheit bringen würde, wenn ich könnte. Jetzt lässt er meine Handgelenke los, doch ich erkenne zu spät, was das bedeutet.
In dem Stoß liegt Sandors ganze Kraft. Er reißt mich von den Füßen, ich falle nach hinten, begreife im gleichen Moment, was mich dort erwartet, und hebe schützend meine Arme vors Gesicht.
Die Wucht meines Falls verwandelt die Dornen in Dolche, die
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