Die Verschworenen
Regeln ich gut genug kenne, um sie umgehen zu können, dessen Menschen mir vertraut genug sind, um sie zuverlässig überlisten zu können. Die Dinge sind plötzlich viel einfacher.
»Aureljo?«
Er legt mir eine kühle Hand auf die Stirn. »Ja?«
»Ich habe nachgedacht. Wenn du damit einverstanden bist, dann komme ich mit nach Vienna 2.«
21
Tycho kehrt zurück, aber er ist nicht allein. Quirin begleitet ihn, was mich verwundert. Ich hätte gedacht, dass er anderes zu tun hat, so kurz nach Vilems Tod.
Er verscheucht Aureljo von meinem Lager und sieht sich die Wunden an, jede einzelne. Nimmt sich Zeit.
»Wie ist das genau passiert? Tycho sagte etwas von Stacheldraht.«
»Ja. Ich bin hineingelaufen. Habe nicht aufgepasst, es tut mir leid.« Unter Quirins prüfendem Blick setze ich ein schuldbewusstes Gesicht auf und zucke hilflos mit den Schultern. Soll er mich eben für eine ungeschickte Sphärenbewohnerin halten. Das spielt keine Rolle mehr.
Er arbeitet schweigend weiter, desinfiziert jeden Kratzer sorgfältig. Ich verstehe zwar nicht, warum, aber ich habe den Eindruck, dass er innerlich vor Wut kocht und sich bemüht, es niemanden merken zu lassen.
»Stimmt etwas nicht?«, frage ich vorsichtig.
Er schüttelt den Kopf. Sieht mich dann aus verengten Augen an. »Warum sagst du mir nicht die Wahrheit?«
»Das tue ich doch«, entgegne ich und blicke verlegen zur Seite. »Und ich bin nicht stolz darauf, dass ausgerechnet mir so etwas passiert.«
Er presst die Lippen zusammen und allmählich frage ich mich, ob Sandor ihm alles erzählt hat. Dann mache ich mich gerade doppelt lächerlich. Ich schließe erschöpft die Augen, dazu muss ich mich nicht verstellen, und überlasse dem Schmerz das Feld. Meine Haut brennt, als hätte jemand Benzin darauf entzündet.
»Ich weiß genau, wessen Werk das ist«, presst Quirin leise hervor. »Das bleibt nicht ohne Konsequenzen, darauf kannst du dich verlassen.«
Das wäre ein guter Anknüpfungspunkt. Ach ja? , könnte ich sagen. Du weißt, wer das war? Dann weißt du ja auch, aus welchem Grund, und es wäre nur anständig, ihn mir zu verraten.
Den Atem kann ich mir sparen.
Ich betrachte Quirins konzentriertes Gesicht, in das der Zorn seine Spuren prägt, und finde ihn in gewisser Weise rührend. So leicht ist er eigentlich nicht aus der Fassung zu bringen, er muss mich wirklich mögen. Oder sich um den Ruf des Clans sorgen, schließlich will er ja, dass Aureljo eine Brücke zwischen den Sphären und der Außenwelt schlägt. Da ist ein solcher Zwischenfall nicht förderlich.
Quirin ist jetzt fertig, er streicht mir übers Haar – es fühlt sich an wie eine nachdenkliche Geste. »Ich hätte besser auf dich aufpassen müssen«, murmelt er.
Ich kann nicht anders, ich lächle ihn an, obwohl er mir verschweigt, was ich wissen muss. »Danke für die Hilfe.«
Er schüttelt nur den Kopf. »Schlaf gut, Ria.«
»Ist es schlimm?«, fragt Aureljo ihn auf dem Gang vor dem Gewölbe und dämpft dabei seine Stimme. Als ob ich ihn so nicht hören könnte.
»Nein. Sie wird sich erholen, aber es kann sein, dass sie ein wenig Fieber bekommt. Ihre Wunden sind nicht tief und ich habe sie sehr gründlich gereinigt.«
»Danke. Ich hoffe wirklich, dass sie bald wieder auf den Beinen ist.« Aureljo hält kurz inne. »Du weißt es ja noch gar nicht!«
»Was meinst du?«
»Ria hat es sich anders überlegt. Sie geht nun doch mit uns nach Vienna 2.«
Einen Moment lang ist es völlig ruhig, dann sagt Tycho laut »Was?« und Quirin beginnt zu lachen. Ich kann nicht beurteilen, ob er es aus Freude tut oder aus einem anderen Grund, aber sein Lachen hallt durch die Gänge der Stadt unter der Stadt, wer weiß, wie weit.
»Eine großartige Entscheidung.«
22
Name: Sindra Holun, natürlich gezeugte Tochter von Poul und Greda
Herkunft: Sphäre Liechtenstein
Bisherige Einsatzbereiche: Küchenhilfe, Kantinendienst, Pflegedienste, Näherei
Körperstatus: gut, gelegentliche Blutdruckprobleme, Erschöpfungszustände
Vertrauensstatus: 2
Ich murmle die Daten halblaut vor mich hin, während wir durch den trüben Tag marschieren. Sindra Holun, das erste Mal in meinem Leben verfüge ich über einen Nachnamen.
Der Identitätschip in meinem Ohr fühlt sich noch ungewohnt an, aber obwohl das Loch erst gestern gestochen wurde, verursacht er kaum Schmerzen, im Gegensatz zu den Spuren, die die Dornenhecke an meinem Körper hinterlassen hat.
Vor zwei Stunden sind wir aufgebrochen. Zu dritt, Tycho hat
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