Die Verschworenen
Sphäre«, murmelt sie. »Aber die schlafen ja noch mitten in der Bewegung ein!«
Ich nicke mitfühlend, zu mehr bin ich im Moment nicht imstande. Die enormen Kuppeln sind nun direkt vor, fast über mir. Wie riesige, glänzende Augen. Aus dieser Perspektive habe ich sie noch nie gesehen und bin erstaunt, wie einschüchternd sie wirken. Dazu die Müdigkeit nach der durchwachten Nacht, Curvellis Stimme, die Masse an Informationen, die ich eben von Krunno erhalten habe …
Ich spüre erst, dass ich schwanke, als Aureljos Hand sich fest um meinen Oberarm schließt.»Alles in Ordnung?«
»Natürlich.« Ich weiß nicht, was lächerlicher ist, seine Frage oder meine Antwort. Noch zwölf Wartende vor mir. Ich schließe kurz die Augen, suche in meinem Kopf nach einem von Graukos Ratschlägen, einem, der mir jetzt helfen könnte. Stoße in meiner Erinnerung schließlich auf etwas, das mich fast auflachen lässt:
Wenn du das Gefühl hast, etwas nicht zu können, stell dir vor, du wärst jemand anders. Jemand, der es mit links schafft .
Ein Tipp, den er mir gegeben hat, als ich dreizehn war. Man kann ihn nicht auf alles anwenden – wenn es um Fremdsprachenkenntnisse oder das Beherrschen eines Instruments geht, wird man scheitern –, aber im Alltagsleben ist er Gold wert.
Ich bin jemand anders. Ich bin Sindra Holun, durchaus ein wenig nervös, weil sie noch keinen Platz in der neuen Sphäre gefunden hat, aber auch etwas genervt, weil das hier so lange dauert. Sie hat eine anstrengende Fahrt in einem der Massenabteile der Magnetbahn hinter sich und ist hungrig. Die Zuteilungsbeamten sind keine Bedrohung für sie, sondern nur ein lästiges Hindernis, das es zu überwinden gilt.
»Könnte wirklich schneller gehen«, brumme ich und ernte zustimmendes Nicken von der Frau vor mir.
»Allerdings.« Sie lächelt, sichtlich froh, sich die Zeit mit einem kleinen Schwatz verkürzen zu können. »Solltest mal die Zuteiler in Frankfurt 3 erleben. Da ist man ruck, zuck durch die Schleuse, kriegt sofort die Ausrüstung überreicht und ist fünf Minuten später im Quartier.«
»Ah«, sage ich höflich. »Frankfurt 3. Klingt gut.«
»Na ja, wie man’s nimmt. Dafür sehen sie dir dort jede Sekunde auf die Finger. Bei jedem Kuppeldurchgang gibt’s Kontrollen und du musst deine Taschen ausleeren, damit sie auch ja sicher sein können, dass du nichts mitgehen lässt. In den Quartieren haben sie Überwachungskameras installiert, man kann nicht mal ungestört in der Nase bohren.«
Die Schlange verkürzt sich um eine weitere Person. Sie schicken die Männer nach links und die Frauen nach rechts.
»Dagegen soll Vienna 2 völlig harmlos sein.«
Das entspricht dem, was Aureljo recherchiert hat. Ich entspanne mich ein wenig.
»Habe ich auch gehört.«
»Für welchen Bereich willst du dich zuteilen lassen?«
Ich zucke die Schultern und mime Unentschlossenheit. »Weiß noch nicht. Mal abwarten, was sie mir anbieten.«
»Also, ich will in die Wäscherei«, erklärt die Frau. »Die einfachste Arbeit, die es gibt. Maschine befüllen, eine halbe Stunde warten, Maschine ausräumen. Ab und zu ein bisschen sortieren und bügeln, das ist alles. Es ist immer warm und es riecht gut.« Sie entwirrt eine ihrer zerzausten Haarsträhnen. »Wenn nur noch ein Platz frei ist, schnappe ich ihn dir vor der Nase weg, tut mir leid.«
Soll ich ihr sagen, was ich von Krunno erfahren habe? Ja, das ist eine Sache der Fairness. »Der Vorarbeiter in der Wäscherei soll ein ziemlich mieser Kerl sein, habe ich gehört. Es heißt, er schlägt seine Mitarbeiter.«
»Was?« Zwischen den Augenbrauen der Frau bildet sich eine scharfe Falte. »Das glaube ich nicht.« Sie presst die Lippen aufeinander, ihr Blick wird böse. »Du sagst das, damit ich dir nicht die letzte Stelle wegnehme, stimmt’s? Aber das kannst du vergessen!«
Ihr schneller Stimmungswechsel überrascht mich ebenso wie die Tatsache, dass sie nicht einmal in Betracht zieht, dass ich sie einfach nur warnen will. Ist es so unter den Sphärenarbeitern? Legen sie sich eher gegenseitig rein, als sich zu helfen?
Unser Gespräch ist jedenfalls beendet, die Frau dreht mir den Rücken zu. Was sie vor sich hin murmelt, ist unverständlich und sicher nicht für meine Ohren gedacht.
Als sie endlich an der Reihe ist, wendet sie sich noch einmal um und zieht eine spöttische Grimasse, bevor sie die rechte Schleuse ansteuert. Jetzt ist niemand mehr vor mir und ich kann durch die transparente Hermetoplastscheibe
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