Die verschwundene Frau
Beerdigung meines Vaters unter Tränen geschworen, sich immer an Tonys Prinzipien zu halten, und damit auch eine ganze Menge der anderen Anwesenden zum Weinen gebracht. Doch jetzt distanzierte er sich von mir, weil Global Entertainment Druck auf ihn ausübte.
Vielleicht war das der wahre Grund dafür, warum ich mich mit meiner Geschichte nicht an den ältesten Freund meines Vaters bei der Polizei wandte. In meinem Innersten hatte ich Angst davor, dass auch Bobby Mallory sich von mir abwenden würde. Er würde sich nicht kaufen lassen - niemand konnte ihn kaufen -, aber ein Mann mit sechs Kindern und einem Dutzend Enkeln ist einfach angreifbar. Obwohl natürlich jeder jemanden hatte, der ihm nahestand. Wenn zum Beispiel jemand Lotty entführte oder drohte, ihr etwas anzutun...
»Woran denken Sie, Vic?« fragte Morrell mich.
Ich zuckte beim Klang seiner Stimme zusammen. »Dass ich Angst habe und mich allein fühle. Deshalb habe ich Sie angerufen. Ich brauche einen Verbündeten und zwar einen, den man nicht so leicht unter Druck setzen kann. Es sei denn... haben Sie Kinder oder eine Freundin?«
Er zwinkerte. »Bitten Sie mich, mein Leben für Sie aufs Spiel zu setzen, weil ich ganz allein auf der Welt bin und sich niemand grämt, wenn ich sterbe? Warum sollte ich das tun?«
Ich spürte, wie ich rot wurde. »Da kann ich Ihnen auch keinen vernünftigen Grund nennen. Es sei denn natürlich, Sie glauben, ich könnte Ihnen etwas Nützliches beibringen, zum Beispiel wie man von einem Haus auf einen fahrenden Güterzug springt.«
»Ich glaube nicht, dass ich das gebrauchen kann: Die meisten Orte, von denen ich fliehe, haben keine Gebäude, die hoch genug wären, um herunterzuspringen. Außerdem dachte ich, Sie befassen sich mit finanziellen Nachforschungen. Wieso springen Sie da auf einen Zug?«
Ich erzählte ihm so detailliert wie möglich von den Ereignissen der vergangenen beiden Wochen. Er unterbrach mich hin und wieder mit einer Frage, aber den größten Teil der Zeit saß er schweigend da, den Kopf in die Hand gestützt, und beobachtete mich mit seinen dunklen Augen.
»Deswegen möchte ich mich unbedingt mit Nicola Aguinaldos Mutter unterhalten«, schloss ich. »Ich muss mit jemandem sprechen, der mir sagen kann, zu wem ihre Tochter gegangen - oder vor wem sie geflohen - wäre. Nicola hat für Robert Baladine gearbeitet, und der gehört definitiv zum Kreis der Verdächtigen. Hätte er sie geschlagen oder getreten, weil sie sich an ihn gewandt hat? Dass ihre Leiche verschwunden ist, ist ein wichtiger Punkt, und ich würde gern sicher sein, dass Abuelita Mercedes sie wirklich nicht ohne eine Obduktion hat beisetzen lassen.«
Morrell legte warnend die Hand auf meinen Arm; mir war gar nicht aufgefallen, dass der Kellner sich in unserer Nähe aufhielt. Ich bestellte einen doppelten Espresso und eine kleine Pizza mit Gorgonzola und Birne. Die Anstrengungen der letzten Tage hatten mir die Lust auf Alkohol verdorben. Ich war einfach kein Philip Marlowe, der jedesmal, wenn er eine Verletzung davontrug, einen Whiskey kippte.
Als der Kellner wieder weg war, sagte ich: »Zum Zeitpunkt ihres Todes trug Nicola kein richtiges Kleid, sondern ein langes T-Shirt, ein Mad-Virgin-T-Shirt. Ich glaube, dass Lucian Frenada das hergestellt hat, aber das ergibt nicht sonderlich viel Sinn. Wie ist sie nach ihrer Flucht aus Coolis an das T-Shirt gekommen? Die Frauen dürfen im Gefängnis Zivilkleidung tragen, aber keine solchen Minidinger.«
Nachdem der Kellner uns das Essen gebracht hatte, fragte Morrell mich, wie ich auf die Idee gekommen sei, jemand könnte meine Wohnung abhören. »Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben, waren Sie nicht sonderlich entgegenkommend. Doch jetzt, wo Sie durcheinander sind, brauchen Sie meine Hilfe, wollen mich vielleicht sogar zum Verbündeten machen.«
Ich verzog das Gesicht. »Sie waren auch nicht gerade der Gesprächigste. Ich dachte eigentlich, ich müsste Sie nicht belästigen, weil ich auch anders an Informationen über Nicola Aguinaldo kommen könnte. Aber das ist mir bis jetzt nicht geglückt, und außerdem ist im Augenblick so viel gleichzeitig los, dass ich mich nicht auf ein Problem konzentrieren kann. Als ich letzten Samstag von einem Auftrag zurückgekommen bin, den ich außerhalb der Stadt zu erledigen hatte, habe ich herausgefunden, dass mir jemand eine Falle stellen wollte.«
Ich erzählte ihm, wie ich die Drogen in meinem Büro gefunden hatte, und von dem Chaos bei Special-T
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