Die verschwundene Frau
als sie krank wurde und in die Krankenstation eingeliefert werden musste? Wenn ich ihren Großvater davon überzeugen kann, dass die Sicherheitsbestimmungen dort befolgt werden, könnte ich ihn vielleicht von einer Klage abhalten.«
Er bedachte mich mit einem finsteren Blick. »Das werde ich mit Sicherheit nicht tun. Es besteht keinerlei Anlass dazu.«
»Nicht einmal dann, wenn Ms. Aguinaldo sich ihre Verletzungen dort zugezogen hat?« fragte ich mit sanfter Stimme.
»Sie hat sich dort keine Verletzungen zugezogen, auch wenn Veronica Fassler solche Gerüchte in die Welt setzt. Ja, Ms. Warshawski, wir hören alle Telefongespräche mit. Das müssen wir. Nur so bekommen wir mit, wenn Drogen und andere Dinge im Gefängnis eingeschmuggelt werden sollen. Es tut mir leid, dass Sie die lange Fahrt völlig umsonst unternommen haben, aber hier gibt es sonst nichts mehr für Sie zu tun. Es sei denn natürlich, Ihnen fällt der Name einer weiteren Insassin ein, die Sie vertreten möchten.« Dann forderte er einen Aufseher an, der mich aus dem Gebäude eskortieren sollte.
Mitternächtlicher Besuch
Ich versuchte, über das nachzudenken, was der Gefängnisdirektor mir verraten hatte, aber weil ich so lange auf ihn hatte warten müssen, geriet ich nun in die Rush-hour. Und die Zeit, die ich auf der Mautstraße im Stau stand, konnte ich mir eigentlich nur mit dem Gedanken an ein erfrischendes Bad im Lake Michigan und einen kühlen Drink versüßen.
Sie hatten Veronica Fassler also sofort nach ihrem Anruf bei mir verlegt. Ob sie in ein anderes Frauengefängnis innerhalb oder außerhalb von Illinois geschickt worden war oder in Coolis in Einzelhaft saß, machte keinen großen Unterschied. Wichtiger war da schon, dass Veronica Fassler etwas über Nicola Aguinaldos Ableben wusste, das ich nicht herausfinden sollte.
Zu weiteren Erkenntnissen konnte ich meinen Kopf nicht zwingen. Als ich schließlich zu Hause ankam, wollte ich so schnell wie möglich aus meinem Hosenanzug schlüpfen und hätte fast Mr. Contreras angebrüllt, der zusammen mit den Hunden auf den Flur herausstürzte. Offenbar hatte unser Gespräch vom Vorabend nur bewirkt, dass er sich noch stärker bemühte, sich als Zerberus zu bewähren.
Ich lehnte mich gegen das Treppengeländer und kraulte die Hunde hinter den Ohren. Nun, ich konnte Mr. Contreras ja schlecht in meine Angelegenheiten hineinziehen und ihm dann nichts sagen. Doch während ich ihm erzählte, was sich im Lauf des Tages ereignet hatte, konnte ich eigentlich nur an meine heißen, geschwollenen Füße denken.
Nach einer Weile machte die Frau, die im gleichen Stockwerk wie Mr. Contreras wohnt, die Tür auf und sagte: »Ich muss morgen vor einem wichtigen Kunden einen Vortrag halten; da kann ich den Lärm hier draußen nicht brauchen. Wenn Sie sich so viel zu sagen haben, könnten Sie doch zusammenziehen. Dann hatten die anderen Mieter hier endlich ein bisschen Ruhe.«
»Wenn wir zusammenziehen, ist das noch lang' keine Garantie für Ruhe«, sagte Mr. Contreras, dem die Zornesröte ins Gesicht gestiegen war. »Vielleicht hat Ihnen das noch niemand gesagt, aber wenn Sie und Ihr Mann oder Freund oder wer das auch ist sich anbrüllen, verstehe sogar ich jedes Wort, und mein Gehör ist wirklich nicht mehr das allerbeste.«
Bevor es zu einem richtigen Streit kommen konnte, sagte ich, ich müsse jetzt duschen und mich umziehen. Die Frau murmelte daraufhin etwas von wegen »ein bisschen mehr Rücksicht wäre nicht schlecht«, und schlug die Tür zu. Mitch bellte, um ihr zu zeigen, dass ihm ihr Tonfall nicht behagte. Ich bat Mr. Contreras, ihn mit zu sich zu nehmen, damit ich mich ein bisschen ausruhen konnte.
Oben blieb ich dann noch eine ganze Weile länger in der Badewanne liegen, als nötig gewesen wäre, um den Schmutz und die Verspannungen loszuwerden, und dachte darüber nach, was Baladine im Schilde führte. Vielleicht wollte er mich nur in Misskredit bringen, wahrscheinlich durch eine spektakuläre Festnahme wegen Drogenbesitzes, und mich nicht unbedingt umbringen, aber letztlich machte das keinen großen Unterschied.
Ich konnte einfach nicht so weitermachen, ohne zu wissen, aus welcher Richtung der nächste Angriff kommen würde. Egal, ob Baladine einen Nervenkrieg gegen mich führte, mich umbringen oder nur hinter Gitter bringen wollte - ich konnte nicht ordentlich arbeiten, wenn ich sowohl im Büro als auch zu Hause Angst hatte. Auch an meine ältesten Freunde konnte ich mich nicht wenden, weil
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