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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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stürmte mit einem Jogginganzug bekleidet heraus. »Zahlen Sie seit neuestem Miete fürs Treppenhaus, dass Sie es die ganze Zeit als Wohnzimmer nutzen?« fragte sie. »Wenn nicht, sollten Sie mit Ihren Gästen nach oben gehen, damit Leute, die morgen arbeiten müssen, schlafen können.«
    Mitch, der hinter der Tür von Mr. Contreras stand, stieß ein warnendes Bellen aus.
    »Meinst du, du schaffst es, die Treppe hochzugehen?« fragte ich Robbie. »Denn wenn die Frau sich noch weiter aufregt, kriegt sie einen Herzinfarkt, und dann sind wir die ganze Nacht damit beschäftigt, sie ins Krankenhaus zu bringen, und können uns gar nicht anhören, warum und wie du hergekommen bist.«
    »Ich bitte Sie nur, ein bisschen Rücksicht zu nehmen«, sagte die Frau.
    Ich unterdrückte einen bissigen Kommentar und half Robbie die Treppe hinauf. Als ich der Frau den Rücken zudrehte, schnappte sie deutlich hörbar nach Luft und verschwand in ihrer Wohnung. Erst auf dem zweiten Treppenabsatz wurde mir bewusst, dass sie wahrscheinlich die Waffe in meinem Hosenbund gesehen hatte. Ich musste lachen - so schnell würde sie sich nicht mehr über den Lärm beschweren.
    Robbie und ich gingen ganz langsam. Als wir meine Wohnungstür erreichten, kam Mr. Contreras schon mit einem Tablett, auf dem sich drei Tassen Kakao befanden, heraufgekeucht. Der alte Mann versteht es meisterhaft, den Lahmen und den Kranken wieder Lebensmut einzuflößen. Ich überließ es ihm, Robbie dazu zu bringen, dass er ein bisschen Kakao trank, während ich meine Waffe ins Schlafzimmer zurückbrachte.
    »Sie finden das wahrscheinlich ziemlich seltsam, dass ich einfach zu Ihnen komme und dann gleich in Ohnmacht falle«, sagte Robbie, als ich wieder bei ihm war.
    Ich zog den Klavierhocker näher an den Sessel heran. »Ich finde überhaupt nichts, aber ich platze vor Neugierde. Deine Schwester hat mir gesagt, dass du weggelaufen bist. Wie bist du nach Wrigleyville gekommen?«
    »Sind wir in der Nähe von Wrigley Field? Da war ich schon mal mit meinem Dad.« Die Anspannung wich aus seinem Gesicht - wenn ich in einem Viertel wohnte, das er kannte, konnte die ganze Angelegenheit nicht so schlimm sein, wie er gedacht hatte. »Ich hab's so gemacht wie früher Nicola - ich bin mit dem Rad zum Bus gefahren und mit dem zum Zug. Aber dann hab' ich mich auf der Suche nach Ihnen verlaufen, und ich hab' nicht genug Geld für ein Taxi gehabt, also bin ich zu Fuß gegangen, Ewigkeiten, sicher sieben, acht Kilometer. Das würde BB und Eleanor ganz schön freuen, wenn sie wüssten, dass ich an einem Nachmittag so weit gelaufen bin.«
    »Wer sind denn BB und Eleanor?« wollte Mr. Contreras wissen.
    »Seine Eltern«, erklärte ich. »Baladines Spitzname in Annapolis war BB-Gun Baladine.«
    »Den liebt er«, sagte Robbie. »Er ist ein richtiger Macho, und wenn die Leute ihn so nennen, ist das der beste Beweis. Aber ich bin nicht so wie er. Das hasst er. Oder besser gesagt, er hasst mich; ihm war's lieber gewesen, Madison und Utah wären die Jungs und ich das Mädchen. Er hat gesagt, wenn ich ein Mädchen wäre, könnte er mir wenigstens pinkfarbene Rüschen anziehen.«
    Nun begann er mit den Zähnen zu klappern. Ich setzte mich auf die Armlehne des Sessels und brachte ihn dazu, noch ein bisschen Kakao zu trinken. »Du bist erschöpft«, sagte ich ganz sachlich. »Wahrscheinlich bist du auch vom vielen Laufen dehydriert. Deshalb macht dein Körper dir jetzt zu schaffen. Das geht allen Menschen so, wenn sie übermüdet sind und dann in eine unerwartete Situation kommen: Mir ist das auch schon passiert, deshalb weiß ich es. Trink erst den Kakao aus, bevor du weitererzählst.«
    »Wirklich?« Er sah mich mit hoffnungsvollem Blick an. »Ich dachte, das ist bloß passiert, weil ich wirklich so bin, wie er immer sagt.«
    Vermutlich hatte Baladine seinen Sohn schon als Schlappschwanz oder Schwuchtel beschimpft. »Es ist schrecklich, wenn jemand solche Sachen zu einem sagt, besonders wenn's die eigenen Eltern sind, weil man dann so hilflos ist.«
    Er trank in großen Schlucken und hielt sich an der Tasse fest, um seine Gefühle halbwegs in den Griff zu bekommen. Als er sich wieder einigermaßen beruhigt zu haben schien, fragte ich ihn, warum er zu mir gekommen sei.
    »Das war wahrscheinlich das allerdümmste überhaupt, dass ich zu Ihnen gekommen bin, denn was können Sie schon machen? Aber als ich gesehen hab', dass er mich ins Militärlager schicken will, wusste ich, dass ich das nicht noch mal

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