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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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überhaupt hier bin? Und nicht in Cook County? Hat Baladine das eingefädelt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich muss zugeben, dass ich mir darüber auch Gedanken gemacht habe, aber durch deine Festnahme - auch wenn sie durch Lemour erfolgt ist - bist du aus dem Einflussbereich von Baladine herausgekommen. Nein, es hat eher damit zu tun, dass Cook County immer bis obenhin voll ist, und am Vierten Juli ist das dortige Gefängnis dann aus allen Nähten geplatzt. Also wurden alle Frauen, die man in der North und West Side festgenommen hat, automatisch hierhergebracht. Außerdem ist Baladine im Augenblick sowieso nicht im Land. Er macht mit seiner Familie irgendwo in Europa Urlaub.«
    »Ich weiß, in Südfrankreich. Ist Robbie bei ihnen? Ich habe leider keine Ahnung, was aus ihm geworden ist, nachdem ich das Haus am Freitag morgen verlassen habe.«
    Freeman erzählte mir, dass Baladine Robbie mitten in der Nacht zum Samstag von Mr. Contreras hatte abholen lassen. Der alte Mann (»Er ist einfach schon zu lange mit dir befreundet«, meinte Freeman überflüssigerweise) hatte versucht, sich einem Deputy Sheriff von Du Page County zu widersetzen, und erst nachgegeben, als Robbie gesagt hatte, er wolle auf keinen Fall, dass Mr. Contreras festgenommen werde - er werde den Sheriff begleiten, wenn dieser ihm verspreche, dem alten Mann nichts zu tun. Robbies Vater hatte ihn daraufhin nach South Carolina ins Militärlager gebracht, bevor er zusammen mit den Poilevys und den Trants und dem Rest der Familie in die Pyrenäen geflogen war.
    »Ich habe versucht, Baladine zu erreichen, aber seine Leute hier wollten mir seine Nummer in Frankreich nicht geben. Sie sagen, er hat strikte Anweisungen hinterlassen, dass er keinen Deal mit dir macht, auch wenn er den Jungen jetzt wiederhat«, fügte Freeman hinzu.
    »Freeman - wenn sie nicht wissen, dass ich hier bin, dann sag's ihnen bitte auch nicht. Falls irgend jemand dich fragen sollte: Sie sollen denken, dass ich auf Kaution freigekommen bin und mich zurückgezogen habe.«
    Er bedachte mich mit einem merkwürdigen Lächeln, das liebevoll aber gleichzeitig auch ein bisschen verzweifelt wirkte. »Wie Sie wollen, Donna Victoria von der traurigen Gestalt.«
    Dann klopfte er an das Glasfenster, um dem Wachmann zu signalisieren, dass wir fertig waren. Ich wurde durchsucht; der Aufseher beschäftigte sich deutlich intensiver als nötig mit meinem Büstenhalter; und schließlich wurde ich in den Flügel des Untersuchungsgefängnisses zurückgebracht. Als ich allein war, spürte ich, wie Verzweiflung in mir hochstieg. Ich legte mich auf meine Pritsche, ein gefaltetes Handtuch über den Augen, damit ich das Licht nicht sah, das von fünf Uhr morgens bis neun Uhr abends ununterbrochen brannte, und gab mich ganz meinem Elend hin.

Im großen Haus
    Die folgenden vier Wochen waren die schlimmsten meines Lebens. Ich versuchte, die Regeln zu lernen, die in Coolis galten - zum Beispiel, wie ich es am besten vermied, von meinen Mitinsassinnen verprügelt zu werden; wie ich mich mit den Aufsehern gutstellte, ohne mit ihnen schlafen zu müssen; wie ich ausreichend Beschäftigung finden konnte, damit Ohnmacht und Langeweile mich nicht völlig handlungsunfähig machten.
    Ich wollte mit Miss Ruby sprechen, um mich dafür zu bedanken, dass sie mir am Sonntag geholfen hatte, aber hauptsächlich, um herauszufinden, was sie mir über Nicola und die Arbeit in der Näherei sagen konnte. Ich ließ alle, mit denen ich mich unterhielt, wissen, dass ich mich mit ihr treffen wollte, doch abgesehen von ein paar Malen im Speisesaal, wo die Aufseher uns nicht aus den Augen ließen, sah ich sie nach dem ersten Tag nicht mehr.
    Freemans Besuch hatte eine deutliche Veränderung meiner Situation zur Folge: Wie versprochen, schickte er seine Praktikantin mit Geld für mein Konto sowie den mir zustehenden Kleidungsstücken zu mir heraus. Außerdem hatte sie einen ganzen Stapel juristischer Unterlagen dabei, die ich unterzeichnen musste. Darunter befand sich ein Brief von Lotty. Sie bat mich darin so flehentlich, mich auf Kaution freisetzen zu lassen, dass es mir schwerfiel, meinem ursprünglichen Beschluss treu zu bleiben. In einem Postskriptum fügte sie hinzu: Ich habe Freemans Sekretärin geholfen, Deine Kleider zu packen, und ein paar kaputte Sachen genäht.
    »Es war ihr besonders wichtig, dass Sie von einem Loch im Bund Ihrer Shorts erfahren«, meinte die Praktikantin.
    Lotty war nicht besonders geschickt im Nähen, also

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