Die verschwundene Frau
Gründe, die dafür sprachen, Coolis zu verlassen, aber anders als dieser begriff er, warum ich bleiben wollte.
»Haben Sie schon irgend etwas Nützliches herausgefunden?«
Ich verzog das Gesicht. »Nicht über Nicola, nein. Aber darüber, wie Menschen aufeinander losgehen, die es nicht einmal mehr schaffen zu erkennen, wer für ihren Zustand verantwortlich ist, erfahre ich jede Menge.«
Ich beugte mich ein wenig vor, um besser mit Morrell reden zu können, aber eine wachsame Aufs eherin pfiff mich sofort zurück. W enn Morrell und ich uns berührten, konnte es ja sein, dass er mir Drogen zusteckte. Nachdem die Aufseherin uns ungefähr fünf Minuten lang genauestens beobachtet hatte, kam sie offenbar zu dem Schluss, dass ich nichts allzu Schlimmes vorhatte, und wandte ihre Aufmerksamkeit einer anderen Insassin zu. Nur wenige Frauen bekamen wochentags Besuch; also war es ohnehin schwierig, etwas zu sagen, ohne dass es alle Anwesenden hörten.
»Es gibt einen Laden, der heißt Unblinking Eye, und da kann man Überwachungskameras kriegen«, murmelte ich, sobald die Aufseherin sich abgewandt hatte. »Kaufen Sie eine für mich und bringen Sie sie mir an einem Samstag oder Sonntag, wenn mehr Besucher hier sind, dann müssten wir es eigentlich schaffen, dass Sie sie mir geben.«
»Vic, die Sache gefällt mir nicht.«
Ich lächelte ihn provozierend an. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Ihnen irgendwas antun, wenn sie das Ding bei Ihnen finden -wahrscheinlich dürfen Sie mich dann bloß nicht mehr besuchen.«
Er seufzte entnervt auf. »Darüber mache ich mir doch keine Gedanken, sondern über Sie!«
»Danke, Morrell. Aber wenn es mir tatsächlich gelingen sollte, in die Näherei vorzudringen, sehe ich dort vielleicht etwas, das ich aufzeichnen muss. Außerdem gibt's hier jede Menge andere Dinge zwischen den Insassen und den Aufsehern, die es wert wären, dokumentiert zu werden.«
Morrell schaute mich fragend an, sagte aber, er werde sehen, was er tun könne. Dann lenkte er das Gespräch auf neutrale Themen -zum Beispiel auf Mr. Contreras, der über meinen Gefängnisaufenthalt so außer sich war, dass er mich nicht einmal besuchen wollte. Außerdem erzählte Morrell mir von Lotty und den Hunden und allen Menschen, die mir sonst noch am Herzen lagen, um die ich mich im Augenblick aber nicht kümmern konnte. Er blieb ungefähr eine Stunde. Als er ging, spürte ich wieder dieses Gefühl der Verzweiflung in mir aufsteigen, also ging ich hinunter in den Sportraum, wo ich eine Stunde lang Korbwürfe übte, bis ich völlig verschwitze und zu müde war, um noch Selbstmitleid zu haben.
Als ich hinauf zur Dusche ging, hatte ich den Eindruck, dass der Aufseher am Eingang, ein Mann namens Rohde, merkwürdig reagierte. Ich musste fünf Minuten warten, bevor er mich hineinließ, und auch erst, nachdem zwei andere Aufseher sich zu ihm gesellt hatten. Ich fragte mich, ob sie mein Gespräch mit Morrell belauscht hatten und mich auf die Strafliste setzen würden, aber Rohde beobachtete mich wortlos, als ich am Wachhäuschen vorbeiging. Er wirkte immer noch irgendwie aufgeregt, und die beiden anderen Männer standen nun hinter der Glaswand neben ihm. Die Duschen wurden wie alle anderen Gemeinschaftseinrichtungen mit Videokamera überwacht, doch ich hatte schon herausgefunden, unter welcher Brause am wenigsten von der Duschenden zu sehen war. Falls Rohde seine Freunde zu einer Peepshow herbeigerufen hatte, würde ich ihnen den Spaß einfach verderben.
Ich hatte die Duschräume kaum erreicht, als sich schon zwei Frauen auf mich stürzten, eine von vorne und eine von hinten. Zum Glück hatte Rohdes seltsames Benehmen mich argwöhnisch gemacht. Ich ließ das Duschgel und das Handtuch fallen und trat um mich, alles in einer einzigen Bewegung. Dabei erwischte ich die Frau vor mir an der Kniescheibe, und sie wich stöhnend zurück.
Doch die Frau hinter mir umfasste meine Schulter mit eisernem Griff und zog mich zu sich heran. Ich schnappte nach Luft - sie hatte etwas Scharfes in der Hand, das mir in die rechte Schulter schnitt. Ich hakte meinen Fuß um einen ihrer Knöchel und nutzte ihre eigene Kraft, um sie nach vorne zu schleudern. Allerdings machte der feuchte Boden es schwer, einen festen Stand zu finden, und wir fielen beide hin. Ich schlug ihr aufs rechte Handgelenk, bevor sie sich hochrappeln konnte, so dass sie ihre Waffe losließ.
Jetzt stürzte sich die Frau, die ich zuvor mit dem Fuß erwischt hatte, auf mich. Ich
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