Die verschwundene Frau
gestiegen, um auch die elektrischen Anschlüsse an der Decke genauer zu inspizieren.
Ich kochte vor Wut und hatte mir gewünscht, Sergeant Lemour bei seinem Werk der Zerstörung filmen zu können. Da fiel mir die Überwachungskamera in meiner Aktentasche ein. Ich nahm sie vom Boden und holte die Brille heraus. Lemour ließ mich nicht aus den Augen. Doch als er sah, dass ich nur eine Brille aufsetzte, wandte er den Blick ab. In dem kurzen Moment griff ich in die Aktentasche und aktivierte die Batterie. Das konnte ich nach zwei Nächten auf den dunklen Straßen von Luella County, auch ohne etwas zu sehen.
Jetzt ging Lemour zum Drucker und holte die Kartusche heraus. Als er den Beutel mit dem Pulver nicht fand, ließ er die Kartusche fallen, so dass der Inhalt auf dem Boden landete, und schlug mit der flachen Hand gegen den Drucker. Ich konnte nur hoffen, dass das gute Stück, das mich zwölfhundert Dollar gekostet hatte, diese unsanfte Behandlung nicht allzu übelnahm.
Mit vor Zorn düsterem Blick marschierte Lemour zum Sofa und riss mich hoch. Dann ließ er die Hand über die Unterseite der Couch gleiten. Als er den Riss fand, griff er hinein, musste die Hand aber leer wieder herausziehen. Er bleckte seine hässlichen Hechtzähne und wies zwei Uniformierte an, das Sofa umzudrehen. Nachdem sie das getan hatten, riss er den Stoff vollends von der Unterseite herunter und begann, in der Füllung herumzuwühlen.
Da ging ich an ihm vorbei zu meinem Schreibtisch und wählte die Nummer meines Anwalts. »Freeman«, sprach ich auf seinen Anrufbeantworter, »Ich bin's, V. l. Warshawski. Der Polizeibeamte, der mich letzte Woche belästigt hat, ist gerade in meinem Büro. Bei mir ist eingebrochen worden; er beschuldigt mich, mit Drogen zu handeln. Er hat mein Sofa ruiniert und ist gerade dabei, meine sämtlichen Papiere durcheinanderzubringen. Ich bitte dich, mich so bald wie möglich zurückzurufen.«
Lemours Lippen wurden vor Wut ganz schmal. Er schob die Uniformierten beiseite, riss mir den Hörer aus der Hand und gab mir eine schallende Ohrfeige. Ich hatte solche Mühe, nicht zurückzuschlagen, dass meine Arme sich verkrampften.
»Sie halten sich wohl für besonders schlau, was, Warshki?« zischte er mich an.
»Ich war nicht schlecht im Studium, Lemming, da haben Sie recht.« In dieser Situation profitierte ich von meinen Gesangsstunden, denn meine Atemtechnik erlaubte es mir, so zu sprechen, dass der Zorn meiner Stimme nicht anzuhören war.
Er gab mir noch eine Ohrfeige, diesmal auf die andere Seite. »So schlau sind Sie doch wieder nicht. Ich werde den Stoff finden, und wenn ich den Raum Ziegel für Ziegel auseinandernehmen muss. Ich weiß, dass das Zeug hier ist. Legt ihr Handschellen an, während ihr weitersucht«, fügte er an die junge Frau gewandt hinzu, die als erste eingetroffen war.
Sie konnte mir dabei nicht in die Augen sehen. Ihr dunkles Gesicht wurde vor Scham noch dunkler, als sie mir die Handschellen anlegte, und sie murmelte leise: »Entschuldigung.«
Die Brille war mittlerweile verrutscht und saß jetzt schief auf meiner Nase. Sie rückte sie gerade. Der Nacken tat mir weh. Das lag entweder an meiner Anspannung oder an Lemours Ohrfeigen.
Das Team ging systematisch den Raum und dann den Flur und die Toilette durch. Ziegel für Ziegel. Lemour sah den Beamten dabei zu, hektische rote Flecken auf den bleichen Wangen, Schaum vor dem Mund. Ich hielt die Brillenkamera auf ihn gerichtet, so gut ich es an die Heizung gekettet konnte.
Irgendwann klingelte Lemours Handy.
»Lemour«, presste er zwischen den zusammengekniffenen Lippen hervor. »Nein, Sir... sie waren nicht... ja, Sir, an allen drei Stellen... das Miststück muss... ja, Sir, aber ich konnte doch nicht vierundzwanzig Stunden am Tag hier sein... Ich könnte sie immer noch mit aufs Revier nehmen... Ja. Können Sie das tun?« Er bleckte wieder seine Hechtzähne. »Darauf freue ich mich schon, Sir.«
Dann steckte er das Handy in die Tasche und wandte sich wieder mir zu. »Heute ist wirklich Ihr Glückstag, Warshki. Mein... Chef... sagt, wenn Sie die Beweisstücke verschluckt haben, kann ich Sie nicht festhalten, obwohl ich persönlich gern dafür sorgen würde, dass Sie sie wieder ausspucken. Sie können nach Hause gehen. Sie... Holcumb, stimmt's? Nehmen Sie ihr die Handschellen ab, und lassen Sie sie gehen.«
Während die Beamtin mir die Handschellen abnahm, flüsterte sie mir zu, dass ihre Mutter Polsterarbeiten ausführe und sie sie am
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