Die Verstoßenen (Verlorene Erinnerungen) (German Edition)
Crystal Falls, die in den
Lake Silverdeen münden. Genießt die Aussicht, das ist jetzt eure Heimat. Wir
sind bald in Silverdeen.“
Plötzlich kam Grace doch alles eher wie ein Urlaub oder eine Reise vor.
Ganz und gar nicht wie eine Strafe mit Todesfolge. Der Wald sah friedlich und
schön aus, nicht wie das unterschriebene Todesurteil. Vielleicht war das aber
auch alles nur Taktik? Sie konnte ihren eigenen Gedankengängen nicht mehr
folgen. Tausende Fragen und aus der Luft gegriffene Vermutungen schwirrten
durch ihren Kopf und blockierten alles. Verwirrt versuchte sie ihre Gedanken
wieder zu ordnen. Nach kurzer Zeit konnte sie wieder einigermaßen klar denken
und verbannte die wirren Fragen in die hinterste Ecke ihres Gehirns, wo sie
hoffentlich eine Weile blieben, bis sie Zeit hatte sich mit ihnen
auseinanderzusetzen. Sie schüttelte kurz ihren Kopf und blickte wieder aus dem
Fenster. Der See lag hinter ihnen. Stumm fuhren sie noch eine Weile durch den
nächtlichen Wald. Dann sah sie etwas Merkwürdiges. Rauch. Das Dorf. Sie waren
gleich da!
Ceela roch die rauchige Luft. Das Dorf. Sie roch die ersten anderen Menschen,
die alten morschen Holzbretter, aus denen wahrscheinlich das Feuer war. Sie
hörte leise Stimmen. Sie roch die Angst ihrer Gefährten, aber auch die Neugier.
Sie roch den vertrauten Wald, die moosbewachsenen Baumriesen, die Beeren und
Früchte, die die verschiedensten Sträucher an sich trugen. Entfernt vernahm sie
auch noch die Feuchte des Gewässers. Sie fühlte sich sicher, da der vertraute
Wald sie nicht verlassen hatte.
Doch etwas ließ sie erstarren, ließ sie erzittern vor Furcht und machte
sie wahnsinnig vor Panik. Der Geruch des Feuers, des verbrannten Holzes, der
Asche trieb sie in die Enge, rief Bilder in ihren Kopf, Gedanken und Schmerz,
gewaltigen Schmerz. Sie fühlte sich, als würde ihr Gesicht explodieren. Gebannt
von diesem Schmerz und von Trauer, hob sie schwach ihre Hand an die Wange,
rieb über das verbrannte, empfindliche Fleisch und ihr wurde schwindelig vor
betäubenden Qualen. Sie hörte wieder sich selbst schreien, hörte ihre
gepeinigten Schreie aus dem brennenden Haus, der brennenden Falle, hörte sich
wie sie damals verzweifelt nach ihrem Leben geschrien hatte. Wie sie so
krampfhaft überleben wollte und sie spürte die glühende Hitze, die sich gierig an
ihrem Körper hochschlängelte, die an ihrer Haut fraß, spürte den brennenden
stechenden schrecklichen Schmerz als die Flammen ihr Gesicht verschlangen. Wie
die Balken des Hauses lichterloh umschlungen waren und auf sie herabstürzten
wie Hagelkörner, wie sie sie gefangen nahmen und diese unbeschreiblichen Qualen
sie nicht in Ruhe ließen, wie alles immer schlimmer wurde und sie am liebsten
einfach tot gewesen wäre als dieses Höllenfeuer weiter zu ertragen. Diese
Erinnerung war so intensiv verankert, dass sie sich fühlte wie damals und das
machte sie schwach und stahl ihr den Boden unter den Füßen. Sie kippte weg, in
die starken Arme von Jay.
Jay erschrak, als plötzlich ihr weggetretener Körper in seinen Armen
lag, er vermutete Ceela wurde ohnmächtig, weil sie Angst vor den Reservaten
hatte. Er hielt sie einfach fest, mehr konnte er nicht tun. Er machte sich
Sorgen, aber er wusste, er konnte nichts tun. Es war besser, sie einfach ruhen
zu lassen, sobald sie wieder bei Bewusstsein war, würde er ein paar beruhigende
Worte sagen. Das würde gehen, es musste gehen.
Der Rauch kam näher, bis die Gruppe unmittelbar vor ihnen ein schwaches
Feuer sah. In einem Kreis darum saßen einige Menschen, genau konnten sie sie
noch nicht erkennen. Als die Einwohner den Bus wahrnahmen, standen sie
zielstrebig auf und liefen auf einen unscheinbaren Kasten zu. Eine Art Truhe
aus dunklem Holz. Sie öffneten die Truhe und holten ein merkwürdiges Gerät
hervor. Was war das? Es war nicht groß, ziemlich klein sogar. Sie drückten
darauf herum, bis eine schwache Flamme erschien. Hiermit machte man hier also
Feuer? Jay traute seinen Augen kaum. Ein Feuerzeug. Wie er dieses alte Ding
geliebt hatte. Ein älterer Bekannter von ihm hatte noch so eins. Das waren noch
Zeiten, hatte er immer gesagt und es ihm stolz präsentiert. Es war von
Generationen zu Generation weitergegeben worden. Hunderte Jahre alt war ein
solches Instrument, aber hier waren die Menschen stolz darauf, ein solches zu
besitzen. Unglaublich. Die Gegend hier schien um Jahrhunderte zurück zu liegen.
Ein Mensch entfernte sich und lief auf eine andere Truhe zu,
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