Die Verstoßenen (Verlorene Erinnerungen) (German Edition)
Freundin in die Arme. Sie verharrten, die Umarmung schien Tage anzuhalten.
Sie waren beide so froh. Doch ihre kleine Ewigkeit wurde unterbrochen, indem
Lucas alle aufforderte wieder einzusteigen. Sie fuhren weiter.
Kapitel 14
Die tiefe Dunkelheit der Nacht war unverkennbar. Am schwarzen Himmel
schimmerte der bleiche Mond durch das wirre Geäst des Unterholzes. Stille,
verlorene Rufe einer einzelnen Krähe schallten durch die Wälder. Sie blickte
aus dem Fenster. Sie konnte nicht einschlafen. Ihre wachen Augen spähten in die
Ferne des Waldes. Ceela lehnte an ihrer Schulter, schlafend. Sie lächelte bei
dem Anblick ihrer Freundin. Sie drehte ihren Kopf wieder zu der
Nachtlandschaft. Ihre Augen hatten sich schon an die durchdringende Schwärze
angepasst, sodass sie nun deutlicher sah, was um sie herum war. Es wurde
langsam immer heller. Licht? Woher? Ungläubig warf sie einen Blick durch die
große Frontscheibe des alten Gefährts. Eine einsame Laterne flackerte in der
Nacht. Eine Laterne mitten in dem Wald, in dem sie seit Tagen keine einzige
Menschenseele gesehen hatten? Sie schärfte all ihre Sinne. Etwas an dieser
Situation gefiel ihr ganz und gar nicht. Die Angst schlich sich langsam an sie
heran. Sie hatte ein mulmiges Gefühl im Magen. Sie achtete auf jedes Geräusch,
sie fokussierte nur noch den Ausblick aus der Frontscheibe. Der Bus hatte die
Lampe passiert. Nur noch der matte Schein war zu erkennen, der das Umfeld immer
noch trüb erleuchtete. Der Weg, auf dem sie fuhren wurde breit, nahm allmählich
wirklich die Gestalt eines Weges an und nicht mehr eines verwahrlosten Trampelpfades.
Als das letzte Fünkchen Licht verschwunden war, war es ihr noch unheimlicher.
Doch dann tauchte eine weitere Lichtquelle auf. Dieselbe Laterne, exakt
dieselbe. Wieder fuhren sie vorbei, bis wieder dieselbe auftauchte. Es war wie
ein sich immer wiederholendes, nie endendes Déjà-vu. Als würden sie sobald sie
den Wegabschnitt passiert hatten, sofort wieder an den Anfang gesetzt werden,
sie sahen das Ziel und konnten es einfach nicht erreichen. Sie war verwirrt,
beängstigt. Die Situation kam ihr von jeder neuen, gleichen Laterne, die sie
passierten, komischer vor. Sie bildete sich bestimmt zu viel ein. Sie hatte
einfach nur zu wenig geschlafen, aber einschlafen konnte sie jetzt bestimmt nicht mehr. Die Lichter kehrten immer wieder, sie ließen sie nicht in
Ruhe. Sie konnte nicht mehr. Was sollte das alles?
„Ceela, bitte wach auf. Das musst du dir anseh...“ sie brach ab, Ceela
würde es nicht sehen. Sie würde es nie sehen können, sie war blind. Wie sollte
sie ihr dann glauben? Sie hatte sie zum Glück noch nicht geweckt. Wen konnte
sie denn noch zu Hilfe ziehen …Jay? Einen Versuch war es wert. Wo saß er noch
mal? Sie suchte den dunklen Bus mit ihrem Blick ab. Da! In der ersten Reihe,
neben Lucas. Sie sollte beide wecken, Lucas wusste bestimmt, was das mit den Lampen
auf sich hatte. Sie fand diese Laternen schon sehr…nostalgisch. Da waren
Glühbirnen drin. Sie musste kichern. Woher hatte man denn Glühbirnen, niemand
benutzte Glühbirnen. Schon seit, weiß Gott wie viel, Jahren nicht mehr. Sie
wurden ersetzt durch die blaue Energie. Da fiel es ihr ein. Wie naiv hatte sie
denn sein können? Nostalgisch . Das Wort schoss in ihrem Kopf herum und
verknüpfte sich mit fernab jeglicher Zivilisation .
Die Reservate! Sie waren da!
Sie konnte es nicht mehr verdrängen, nicht mehr vor sich herschieben.
Sie musste ihrem Schicksal ins Auge sehen, musste kämpfen, jetzt erst recht.
Sie fühlte sich auf einmal stark und war entschlossen hier lebend rauszukommen
und ihre Eltern wiederzusehen. Sie würde es schaffen. Sie würde es für ihre
Schwester tun, würde es für ihre Eltern machen. Der Gedanke an Hope trieb ihr
immer noch Tränen in die Augen, doch die schönen Erinnerungen überstrahlten die
Trauer. Sie hatte keine Angst mehr. Sie war sich bewusst, was sie erwartete und
das fegte die Angst hinweg. Dennoch fühlte sie sich verpflichtet den anderen
Bescheid zu sagen. Sie tippte Ceela vorsichtig auf den Kopf.
„Hey, Süße. Wach auf. Wir sind bald da.“ Sie klang wie eine Mutter, die
ihrem Kind sagte, dass sie endlich zu Hause ankamen, nach einem Urlaub
vielleicht. Ceela öffnete müde die Augen. Sie blinzelte ein paarmal. Sie
lächelte. Manchmal hatte Grace das merkwürdige Gefühl, Ceela würde sie doch
sehen. Sie schaute sie immer an, schaute in ihre Augen. Grace sei nicht so
paranoid. Sie ist blind. Sie kann dich
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