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Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Verstummten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Fey
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eine Sperre.«
    »Was bedeutet das?«
    »Entweder läuft noch ein Verfahren oder …« Maya zögerte.
    »Sag es einfach, mich schockt so schnell nichts.« Carina hatte das Gefühl, sich vor Anspannung gleich aufzulösen. »Ist meine Mutter etwa eine Prostituierte?«
    »Das weiß ich nicht. Dass deine Akte gesperrt ist, könnte heißen, dass die Adoptivbeteiligten straffällig geworden sind.«
    Maya strich ihr über die verkrampften Hände, und Carina zuckte bei der Berührung zusammen.
    »Straffällig?« Dann stimmte es, was Wanda als Kind belauscht hatte. Sie lehnte sich zurück. Der Bulle und die Verbrecherin. Deshalb hatten sie es so viele Jahre vertuscht, weil die Frucht des Seitensprungs die weiße Weste des Vorzeigekriminalers beschmutzt hätte.
    »Ich kann dir leider nicht weiterhelfen, du musst dich an die Polizei wenden.«
    Carina lachte so laut auf, dass ein Mann am Nachbartisch die Zeitung weglegte und übertrieben den Kopf schüttelte.
    »Was ist so lustig?« Maya riss die Augen auf.
    »Genau das sieht meinem Vater ähnlich. Als Kriminalpolizist lässt er die Akte sperren und gibt mir damit keine Möglichkeit, selbst was rauszufinden. Was ist denn dein Vater von Beruf? Bitte sag mir, dass es weniger kontrollsüchtige Väter gibt.«
    »Zahnarzt.« Maya verzog das Gesicht. »Kaum bin ich zu Besuch, stochert er mir schon in den Füllungen herum.«

Montag
    Fünfundsiebzig Stunden nach dem Ursprung
    Das Leben kann nur rückwärts verstanden werden,
    aber es muss vorwärts gelebt werden.
    Søren Kierkegaard

52.
    Oskar Einauge starrte sie an. Zurück aus der Kinderklinik widmete sich Carina wieder der Gesichtsrekonstruktion. Manchmal gaben nur wenige Dinge darüber Auskunft, ob ein Mensch existierte oder nicht. Ausradierte Zahlen an einem Türstock, Perlen und Barbieteile in den Fußbodenritzen, die gemalte Karte einer Freundin. Wenn Carina diese Dinge nicht gefunden hätte, wäre es den Tätern – oder wer auch immer dahintersteckte – gelungen, die Existenz von Flora weiter zu vertuschen. Das Ganze ähnelte ihrer Muttersuche. Wie bei Flora gab es auch bei ihr nur eine Geburtstags karte. Wer kon nte wissen, ob sie jemals etwas herausfand? Vielleicht war es sogar besser so. Vor welcher Wahrheit ihr Vater sie auch schützte, sie musste es sich abgewöhnen, darüber nachzugrübeln, es änderte nichts.
    »Später kriegst du auch Wimpern«, versprach sie Oskar und setzte ihm das zweite Auge ein. »Was hattest du für eine Nase … Vermutlich eine große, soll ich mal?« Sie formte einen ordentlichen Zinken und setzte ihn aufs Nasenbein. Dort spürte sie einen Knubbel, das konnte auf einen Nasenbeinbruch zu Lebzeiten hindeuten, oder es war passiert, als er im wahrsten Sinn des Wortes den Kopf verlor. Sie hob das Plastilin noch einmal ab und untersuchte die Stelle. Eine weiße Kerbe, genauso hell und poliert wie der übrige Schädel, also ein Nasenhöcker, etwas Markantes, das bei der Identifizierung helfen würde. Das war es, was sie am Rekonstruieren liebte, die winzigen Spuren, die einen Menschen unverwechselbar machten und die sie betonen konnte, damit sich die Lebenden an die Toten erinnerten. In ihrem Skizzenbuch schlug sie die Seite mit der Gewebetabelle auf und studierte die Durchschnittswerte für die Weichteildicke eines europäischen Weißen. Nach diesen Werten schnitt sie die weißen Gummistangen zurecht und klebte sie auf den Schädel. Das erste Stück, 4,2 Millimeter für den höchsten Punkt auf der Stirn, das zweite, 5,2 Millimeter für die Glabella, den Punkt zwischen den Augenbrauen, der bei Männern, manchmal auch bei Frauen, wie zum Beispiel Frida Kahlo behaart war und zusammen mit den Brauen an einen Vogel erinnern konnte, der sich über den Augen spannte. Nummer drei mit 6,2 Millimetern lag gleich darunter, wo die Nase begann, und Nummer vier, 3 Millimeter, war der Punkt, an dem das Nasenbein endete. Den letzten Punkt, Nummer zwanzig, klebte sie auf eine Stelle am Unterkiefer, dort, wo normalerweise der letzte Backenzahn saß. Aber bei diesem Schädel fehlten die Zähne, vermutlich hatte der Mann eine Prothese getragen. Dafür sprach auch die Rückbildung des Unterkiefers.
    Sie überprüfte, ob die Markierungsstellen alle gut klebten, und begann Knetstreifen darum herum zu legen, bis sie auf Höhe der jeweiligen Gewebedicke waren. Dann verstrich sie die Oberfläche gleichmäßig zu einer Fläche. Haut. Sie trat ein Stück vom Schreibtisch zurück und betrachtete den Schädel von Weitem.
    »Wer

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