Die Verstummten: Thriller (German Edition)
Hospiz anflehte, ihn von seinen Qualen zu erlösen. Sie hatte nie wieder töten wollen. Doch nun zwangen sie sie erneut dazu. In Olivia Loos hatte sie eine Chance gesehen, der Öffentlichkeit die Wahrheit über die angeblichen RAF -Attentate zu sagen und damit die Agententruppe zu enttarnen.
Dank ihrer Bleistiftnotizen, die sie in das Buch The Green Mile gelegt hatte, hatte die Journalistin angebissen, wollte mehr und lud sie schließlich zum Frühstück ein.
Und so hatte Iris am Freitag um halb zehn ein Taxi in die Menterschwaige genommen. Mit dem Leichenwagen wäre es viel zu auffällig gewesen. Vorsichtshalber stieg sie eine Straße vorher aus, bezahlte den Fahrer und ging zu Fuß in die Rabenkopfstraße. In den Einfahrten standen viele protzige Autos; den BMW bemerkte sie erst, als einer der Insassen zum Rauchen ausstieg und sich an das Fahrzeug lehnte. Das alte Nummernschild mit dieser fiktiven Stadt stach ihr ins Auge. Der geschrumpfte Rest der Gruppe musste sich sehr sicher fühlen. Am liebsten hätte sie kehrtgemacht, doch dann hätten sie sie sofort erkannt. Felix saugte an seinem Glimmstängel, als versorgte der ihn mit Strom. Hagerer war er mit den Jahren geworden, trug seine Haare jetzt in einem Pferdeschwanz, was ihm von hinten etwas Feminines verlieh. Sie drückte sich in den Eingang eines Computerladens, tat so, als würde sie die Angebote lesen, und spähte aus dem Augenwinkel zu ihm hinüber. Die Scheiben des Wagens waren verdunkelt, aber da Felix an der Beifahrerseite ausgestiegen war, nahm sie an, dass noch einer drinhockte. Calimero war ein Häufchen Asche in einem anonymen Grab, Krallinger saß in Haft, dann blieb nur noch einer, einer, der sich genauso sicher und überlegen fühlte wie Felix, der vor dem Observierungsobjekt rauchte. Salamander. Vielleicht hatten sie im Alter nachgelassen, abgehalfterte Agenten, die vor zwanzig Jahren ihre Abfindung kassiert hatten. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie jemand Neues angeheuert hatten und damit noch andere einweihten.
Sollte sie Olivia warnen, dass sie beobachtet und wahrscheinlich auch abgehört wurde? Am Telefon hatten sie nur über die Beerdigung der Schwiegereltern gesprochen und dass sie sich noch mal wegen ein paar Formalitäten treffen sollten. Noch hatte Olivia Loos keinen Artikel veröffentlicht, also wie waren sie der Journalistin auf die Spur gekommen? Vermutlich hatte sie zu recherchieren begonnen, und in der Zeitungsredaktion war etwas durchgesickert. Kam darauf an, wem sie es angeboten hatte. BND -Spitzel gab es überall. Der beste Schutz würde sein, wenn Iris nicht reagierte, hatte sie gedacht, dann konnten sie Olivias Quelle nicht aufspüren und würden sie in Ruhe lassen. Oder umgekehrt, war das Treffen von vornherein eine Falle gewesen? Arbeitete Olivia für Das Geld , wie sie selbst es einst getan hatte, war alles nur eine Taktik, um Iris aus der Reserve zu locken? So oder so, sie musste hier verschwinden!
»Kann ich Ihnen helfen?« Iris hatte sich zu lange vor dem Schaufenster herumgedrückt. Die Verkäuferin war herausgekommen und hielt ihr die Tür auf.
»Danke.« Schnell las sie die Messingschilder an der Fassade. Im Souterrain lag eine Arztpraxis, wie ein gezackter Pfeil nach unten verriet. »Wie komme ich zu dem Frauenarzt?«
»Sie können bei uns durchgehen und dann rechts, wenn Sie wollen.« Iris hastete durch den Souterrain-Eingang der Arztpraxis über ein Stück Rasen zur Parallelstraße. Der Himmel war schwarz bewölkt, jeden Moment würde ein Gewitter losbrechen.
Zurück im Bestattungsunternehmen grübelte sie, wie sie Olivia warnen konnte, nahm den Telefonhörer in die Hand, wählte jedoch nicht, ließ es tuten und starrte in den Garten. Nach einem kurzen, aber heftigen Wolkenbruch nieselte es noch immer. Die Elster war zurück, hockte im Kirschbaum und pickte nach den letzten verdorrten Früchten vom Vorjahr. Auch Iris hätte jetzt etwas Süßes gut gebrauchen können.
Sie zuckte zusammen, als Michael die Bürotür aufriss.
»Die Polizei hat mich auf dem Handy angerufen, weil bei uns besetzt ist. Es hat eine Schießerei in der Menterschwaige gegeben. Eine echte.«
»Wie, eine echte?«
»Na ja, die Anwohner hielten es zuerst für einen Dreh der Filmstudios, die sind die Herumballerei von der Filmstadt gewöhnt. Dazu das Gewitter, ein Wunder, dass die zwei Leichen überhaupt jemand bemerkt hat. Sie sollen ins Institut für Rechtsmedizin überführt werden. Kommst du?«
»Zwei Leichen in der
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