Die Verstummten: Thriller (German Edition)
Menterschwaige?« Sie starrte ihn an. Salamander und Felix würden sich wohl kaum gegenseitig erledigt haben, oder doch?
»Ein Ehepaar, Olivia und Jakob Loos.« Er las von einem Zettel ab. »Rabenkopfstraße sechsundzwanzig. Loos, Loos? Hatten wir da nicht schon letztes Jahr was?«
So wie ein Lokführer hoffte, ihm würde nie einer ins Gleis fallen, wünschte sich eine Bestatterin, nie einen nahestehenden Menschen einsargen zu müssen. Olivia war Iris nähergekommen als sonst irgendwer in den letzten Jahren. Nicht einmal ihr Mann wusste von ihrer Vergangenheit.
Michael freute sich, dass die Familie, warum auch immer, nun zum zweiten Mal Bestattungen Schwalbe in Anspruch nahm. Kundenbindung, das Erfolgsrezept ihres Unternehmens. Erst jetzt bemerkte er, dass sie noch immer den Hörer in der Hand hielt. »Mit wem hast du telefoniert?«
»Nur mit der Krankenkasse«, sagte sie schnell und legte sich eine Ausrede zurecht. »Die wollten mich mit irgendeinem Fitnessangebot beschwatzen. Nimm doch die Elena mit, bitte. Ich habe heute so Kreislaufprobleme.«
Wieder war jemand gestorben, und sie war schuld. Schuld daran, dass zwei Kinder zu Waisen geworden waren. Aber nun lauerte sie den Tätern auf. Wenn das allerdings beim Schwedenhäuschen so weiterging, würde sie die Nacht im Leichenwagen verbringen müssen. Doch dann rührte sich etwas, die Tür wurde aufgerissen. Sie hielt den Atem an. Felix stützte Salamander, und beide stapften direkt auf sie zu.
Montag
Siebenundsiebzig Stunden nach dem Ursprung
Wohin fliegen Worte?
Egon Schiele
56.
Kaum saß Carina in Peters Auto auf der Fahrt zum Starnberger See, legte er los. »Der Handschrift nach zu urteilen, schreibt sie viel, fast wie eine Grundschullehrerin, gleichmäßig hohe und breite Buchstaben, vermutlich hat sie Karopapier daruntergelegt, damit ihr das gelang.« Peter brannte sichtlich darauf, Carina zu berichten, was er über die Luftpostmemoiren , wie er die Notizen aus dem Green-Mile -Buch nannte, herausgefunden hatte.
»Sie? Du glaubst, dass der Verfasser eine Frau ist?«
»Der Knappheit der Aufzeichnungen wegen dachte ich zuerst, es wäre ein Mann. Keine überflüssigen Worte und Ausschmückungen, eigentlich untypisch für eine Frau.« Er betrachtete sie von der Seite und lachte. »Von Ausnahmen mal abgesehen. Die Verfasserin verwendet durchgehend die alte Rechtschreibung, aber das deutet eher auf das Alter der Person hin und darauf, dass diese Notizen nicht zur Veröffentlichung bestimmt sind. Sie redet von einer Fünfergruppe, und obwohl sie durchgängig wir schreibt, nie ich , lese ich eine gewisse Distanz zu den anderen vier Beteiligten heraus. Die Aufzeichnungen brechen ab, als die Gruppe sich nach dem Rohwedderattentat noch mal zu neuen Planungen trifft. In diesen letzten Zeilen ist viel radiert worden, so als ob sie sich noch umentschlossen hätte bezüglich dessen, was sie preisgibt. Eine Frau und Scharfschützin, das ist nicht gerade alltäglich.«
»Iris Erlacher heißt sie.« Für Carina setzte sich jetzt alles zusammen. Ihre richtige Mutter hatte den Treuhandmanager Rohwedder erschossen, und als die Journalistin Olivia Loos das herausfand, musste der Rest der Scharfschützentruppe unbedingt verhindern, dass das ans Licht kam.
»Woher weißt du das?«
»Mein Vater hat es mir gerade gesagt. Es ist der Name meiner richtigen Mutter. Karl-Valentin-Fan und Auftragskillerin.«
»Karl Valentin?«
»Ja, ›der Firmling‹ war ihr Lieblingsfilm.« Carina musterte ihn. Jeder andere wäre bei Auftragskillerin vom Stuhl gekippt, aber Peter fragte nach dem Komiker. Vielleicht war das Ganze für jemanden von der Mordkommission alltäglicher. »Dass wieder zwei Mädchen verschwunden sind, weißt du schon, oder?«
Er nickte. »Die Leute sind aufgeschreckt, wenn ihre Kinder nicht sofort nach Hause kommen. Verständlich – heute stand das mit Flora in allen Zeitungen – , aber es muss nicht gleich mit dem Fall zusammenhängen. Trotzdem arbeiten alle verfügbaren Einsatzkräfte bereits an der Suche. Ich kriege Bescheid, wenn sich was ergibt.«
»Was macht das für einen Sinn, die Eltern umzubringen – wobei es hauptsächlich um die Mutter ging, die als unbequeme Journalistin arbeitete – und dann deren Kind zu entführen?«
»Ich weiß es nicht, aber ich versuche es rauszufinden. Wir, besser gesagt.« Er lächelte sie an.
»Wie alt, glaubst du, sind die Aufzeichnungen auf dem Luftpostpapier?«, fragte Carina.
»Vincent ist dran, diese Tests dauern.
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