Die Versuchung der Hoffnung
genau vierzehn Minuten und hier!“
Ich verschlucke mich so heftig an meinem Tee, dass ich einen Hustenanfall bekomme und einen Teil des Getränks durch die Nase wieder von mir gebe. Dass mir jetzt das Blut ins Gesicht steigt, liegt nicht nur daran, dass ich keine Luft mehr bekomme.
Du bist wirklich die geborene Romantikerin, Hope!
Lachend klopft John mir auf den Rücken und wartet geduldig, bis ich wieder zu Atem komme.
„Irgendwie dachte ich mir, ich gehe lieber mal auf Nummer sicher. Damit du später keine kalten Füße bekommst.“
Er drückt mich fest an sich und riecht wie immer umwerfend gut. Als er mich wieder loslässt, fühle ich mich völlig benommen. So wirklich kann ich gar nicht begreifen, was hier gerade passiert.
Du wirst heiraten, Hope! In nicht einmal einer halben Stunde wirst du heiraten!
Jetzt kann ich den Tee auf einmal wirklich gut gebrauchen, den John mitgebracht hat. Ich trinke einen großen Schluck davon und betrachte John, der irgendetwas in sein Handy eintippt.
Er hat sich richtig schick gemacht, das ist mir vorher gar nicht aufgefallen. Er trägt eine zweireihige, dunkle Wolljacke, die mich ein bisschen an eine Marineuniform erinnert. Dazu hat er eine ebenfalls dunkle Stoffhose an. Als ich auf seine Schuhe schaue, muss ich schmunzeln: Er trägt seine abgenutzten Armeestiefel. Diese Stiefel sind so sehr John und sie passen so gut zu ihm und erstaunlicherweise auch zu seinem ganzen Outfit, dass sich plötzlich ein ganz warmes Gefühl in mir breitmacht.
Das ist John. Mein John! Und ich liebe ihn.
Ich ziehe ihn näher zu mir heran und küsse ihn, lang und intensiv.
„Ich bin stolz darauf, dass ich deine Frau werden darf. Und ich liebe dich wahnsinnig!“
Mit einer beinah trägen Geste streicht er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und küsst meine Schläfe. Er scheint etwas sagen zu wollen, aber kein Wort verlässt seine Lippen. Und es ist auch unnötig. Die Liebe in seinem Blick und das Lächeln auf seinem Mund verraten mir alles, was ich wissen will.
Meine Nase verstecke ich an seinem Hals und atme mit geschlossenen Augen ein paar Mal tief seinen Duft ein.
Nur widerwillig mache ich meine Augen irgendwann wieder auf, weil mir etwas eingefallen ist.
„John?“
„Hmm?“
„Wie hast du das gemeint, dass wir hier auf dem Dach heiraten?“
Es ist wohl meiner allgemeinen Verwirrung heute zuzuschreiben, dass ich das nicht schon viel früher gefragt habe, aber mein Gehirn scheint heute Abend mehr als schwerfällig zu arbeiten.
„In ein paar Minuten kommt ein Friedensrichter, der uns trauen wird. Zusammen mit Valerie und Frank im Schlepptau, die unsere Trauzeugen sein werden. Und einen Fotografen habe ich auch organisiert. Ich dachte, du willst bestimmt Fotos haben.“
„Ja, Fotos wären toll.“ Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Eine Hochzeit ohne Fotos ist ja fast so, als hätte sie gar nicht wirklich stattgefunden. „Ich habe gar keinen Ausweis mit“, fällt mir plötzlich siedend heiß an.
„Ganz ruhig bleiben.“ Besänftigend tätschelt er meinen Arm. „Den bringt Val mit.“
„Kommt sonst noch irgendjemand?“
„Nein, ich dachte, wir halten den Rahmen so klein wie möglich. Aber wenn du willst, können wir deine Eltern anrufen, damit sie auch herkommen. Dann warten wir solange.“
„Nein, auf gar keinen Fall!“, antworte ich schnell. Meine hysterische Mutter, die keifend und weinend versucht, mir das alles wieder auszureden, ist gerade die Letzte, die ich hier gebrauchen kann. Jetzt, wo ich mich einmal entschieden habe, will ich nichts anderes mehr hören und wissen. Einfach deshalb, weil es sich gerade in diesem Moment so verdammt richtig anfühlt. Natürlich gibt es Hunderte von vernünftigen Argumenten gegen diese Hochzeit. Aber man heiratet schließlich nicht aus Vernunft, sondern aus Liebe. Und die Liebe, die John und mich miteinander verbindet, die spüre ich gerade so intensiv wie nie zuvor.
Und dann komme ich gar nicht mehr dazu, mir irgendwelche Gedanken zu machen. Denn die Tür geht auf und Valerie betritt das Dach, stürzt auf mich zu und umarmt mich.
„Ich freue mich so für dich. Für euch!“ Sie drückt mich fest an sich. „Wir haben acht Minuten“, flüstert sie mir ins Ohr. „In meinem Rucksack sind deine wichtigsten Schminkutensilien. Ich dachte mir, ich frische dein Make-up schnell auf. Damit du die schönste Braut der Welt wirst und auf den Fotos, die den Rest deines Lebens dein Wohnzimmer zieren werden, keine
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