Die Versuchung der Hoffnung
umschlungen einschlafen.
Kapitel 24
Meinen Eltern von der Hochzeit zu erzählen, ist nicht ganz so einfach. Aber ich bringe es bei meinem nächsten Besuch hinter mich, kurz bevor Valerie mich wieder abholt, und verlasse dann fluchtartig das Haus, bevor ich mir irgendwelche Vorträge anhören muss. Ändern können es meine Eltern ja ohnehin nicht mehr. Die nächsten drei Wochen werde ich es auch nicht schaffen, nach Hause zu kommen, weil meine Abschlussprüfungen vor der Tür stehen und ich lernen muss und keine Zeit habe. Bis dahin ist hoffentlich ein bisschen Gras über die Sache gewachsen. Meine Mutter ist zwar der Meinung, ich könne genauso gut zu Hause lernen, aber ich sehe das ein bisschen anders. Zumal Valerie ebenfalls zum Lernen im Wohnheim bleiben wird und die Fahrt mit dem Bus nach Hause einer halben Weltreise gleicht.
Die Prüfungen sind anstrengend und zeitintensiv und ich habe immer das Gefühl, einfach nicht genug gelernt zu haben. Da in Johns Wohnung viel mehr Platz ist als bei mir, bin ich mehr oder weniger bei ihm eingezogen. Immer, wenn er da ist, kümmert er sich um mich. Er holt mich von der Arbeit ab und sorgt dafür, dass ich genug esse und irgendwann mal mit der Lernerei Feierabend mache.
Als dann endlich alles vorbei ist, bin ich fest davon überzeugt, durch alle Prüfungen gefallen zu sein, auch wenn das realistisch betrachtet der totale Quatsch ist. Ich habe immer gute Noten gehabt und alle Prüfungsfragen beantworten können. Trotzdem bleibt das ungute Gefühl. Für mich ist das Warten auf die Prüfungsergebnisse daher mit reichlich Stress verbunden. Zusätzlich ärgere ich über mich selbst, dass ich mir immer so viele Sorgen mache, immer so perfekt sein muss.
Bei meinem nächsten Besuch zu Hause macht mir meine Mutter Vorwürfe, dass ich nur an mich selbst denken würde. Sie fragt mich, ob mir meine Familie egal geworden sei, wo ich jetzt eine verheiratete Frau wäre. Ich weiß nicht, warum mich das immer so sehr trifft. Denn genau genommen weiß ich ja, dass es nicht stimmt und dass ich mich weitaus mehr um meine Familie kümmere, als es die meisten anderen in meinem Alter und meiner Situation machen. Das Problem liegt wohl eher bei meiner Mutter als bei mir, weil sie ziemliche Schwierigkeiten damit zu haben scheint, dass ich nicht mehr das kleine, süße Mädchen bin, das alles so macht, wie sie es möchte, sondern dass ich erwachsen bin und meine eigenen Entscheidungen treffe, sowie mein eigenes Leben führe. Dennoch bohrt sich ihr Vorwurf wie ein schmerzender Stachel in mein Herz und ich muss heftig schlucken, um nicht mal wieder loszuflennen. Meinem Vater scheint die ganze Sache mit der Hochzeit relativ egal zu sein.
„Ich hoffe, du kommst wenigstens nächstes Wochenende nach Hause, damit wir zu Maudes Geburtstag fahren können, so wie jedes Jahr? Oder hast du da auch wieder keine Zeit für uns? Die Flugtickets sind schon gekauft. Und wir verlassen uns auf dich. Das können wir doch wohl hoffentlich noch?“
Ich murmle eine Zustimmung. Meine Eltern besuchen meine Tante jedes Jahr an ihrem Geburtstag. Ich habe schon vor Monaten versprochen, dass ich nach Hause komme, um mich um Mike zu kümmern. Allerdings muss ich gestehen, dass ich es vergessen hätte, wenn meine Mutter mich nicht erinnert hätte. Der Stress der letzten Wochen hat mein Konzentrationsvermögen und meine Merkfähigkeit, was Alltagsdinge angeht, nicht unbedingt positiv beeinflusst.
Zum Glück holt mich Valerie auch dieses Mal wieder bei meinen Eltern ab und bringt mich auf andere Gedanken und es dauert nicht lang, bis ich mich wieder ein bisschen entspannen kann.
„Was machst du eigentlich den lieben langen Tag, wenn du weder mit mir Kaffee trinken gehst, noch in der Bibliothek arbeitest?“
Ich lache leise. Viel Zeit bleibt danach ja nicht mehr übrig und die verbringe ich nach Möglichkeit mit John. Und in der Zwischenzeit …
„Ich schreibe an einem Krimi.“
„Was?“ Valerie dreht den Kopf ruckartig zu mir und ich bekomme Panik, weil sie nicht auf die Straße schaut.
„Konzentrier dich aufs Fahren, sonst erzähle ich dir gar nichts mehr“, tadle ich sie, muss aber gleichzeitig lächeln.
„Aye, aye, Captain!“ Ganz artig blickt Val wieder auf die Straße.
„John und ich haben neulich einen alten Sherlock-Holmes-Film gesehen. Und weil ich am nächsten Tag tatsächlich mal ein bisschen Freizeit hatte, habe ich einfach mal versucht, ein bisschen zu schreiben. Mal schauen, was
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