Die Versuchung der Hoffnung
Nacht endlich vorbei ist.
Nach einer ausgiebigen Dusche ziehe ich mich an und mache Frühstück für Mike und mich. Am Tag nach der Dialyse ist er meistens ein bisschen fitter. Vielleicht können wir nach dem Frühstück sogar ein bisschen spazieren gehen.
Kaum habe ich den Tisch fertig gedeckt und Tee gekocht, kommt Mike zu mir in die Küche. Er sieht ein bisschen besser aus als gestern.
„Morgen, Cookie“, sagt er lächelnd und schlurft zum Küchentisch.
Der Tag vergeht zäh und langsam und meine Gedanken wandern immer wieder zu John und dem Konzert. Ich habe ihn telefonisch immer noch nicht erreichen können. Von Minute zu Minute werde ich unruhiger, bis ich letztendlich nicht mehr still sitzen kann. Natürlich hat John irgendwie recht gehabt. Ich hätte dieses eine Mal Nein sagen müssen. Meine Eltern verfügen immer wie selbstverständlich über mich und das ist nicht okay. Sie hätten mich vorher fragen müssen, bevor sie mein Einverständnis einfach vorrausetzen. Und ich hätte einfach Nein sagen sollen.
Unruhig rutsche ich auf dem Stuhl hin und her und trommle mit den Fingern auf den Küchentisch, während ich darauf warte, dass die Mikrowelle unser Essen endlich aufgewärmt hat.
„Was ist los, Hope?“ Mikes Stirn legt sich in besorgte Falten.
„Nichts.“ Abwehrend schüttle ich den Kopf.
„Du lügst, Schwesterchen. Was ist los?“
Seufzend lege ich den Kopf in den Nacken und reibe mir dann über die Augen.
„Es ist wegen John …“
„Habt ihr Stress?“
„Er hat mich seit Wochen darum gebeten, dass ich bei seinem Konzert dabei bin … Es geht dabei um die Option auf einen ziemlich großen Plattenvertrag und er hätte mich eben gern dabei gehabt.“
„Und das Konzert ist heute und du spielst stattdessen den Babysitter für deinen großen Bruder?“
„Nein. Ja … Ach Scheiße. John war so sauer, weil er gleich geahnt hat, dass ich Mum und Dad nicht mal gesagt habe, dass ich heute einen anderen Termin habe. Aber es ist mir doch wichtig. Und ich bin gern bei dir.“ Ich beuge mich über den Tisch und greife nach Mikes Hand, um sie zu drücken.
In seinen Augen kann ich plötzlich dieses übermütige Funkeln erkennen, das er immer dann hat, wenn er nicht s Gutes im Schilde führt. Nach einem Moment legt er den Kopf schief.
„Was macht eigentlich Val heute?“ Sein Tonfall ist dabei so auffällig gleichgültig, dass ich sofort Lunte wittere.
„Was soll sie denn heute machen?“
Mike grinst breit. „Ach … Ich dachte, sie wäre vielleicht ein guter Babysitter für mich. Und du hättest den Abend frei …“
Ich lege den Kopf schief. „Du redest hier von einer Win-win-Situation?“
„Genau davon .“ Er sieht sehr mit sich zufrieden aus.
„Val und du?“ Ich bin ein bisschen verwundert, aber mein Bruder zuckt nur lässig mit den Schultern.
Nachdem ich eine halbe Stunde lang Bedenken geäußert habe, wird mein Bruder schließlich böse. Er wirft mir vor, dass ich ihn wie ein Kleinkind behandle und schließlich gebe ich mich geschlagen und rufe Val an.
Kapitel 26
Es dauert keine halbe Stunde, bis Val zufrieden lächelnd in der Tür steht. Zum Glück war sie bei ihren Eltern und hatte es somit nicht weit.
„Hattest du vor auszugehen?“ Ich mustere ihr Make-up und ihr Outfit kritisch.
„Doch nicht ohne dich!“ Sie zwinkert mir zu und schiebt mich zur Seite, um sich an mir vorbei ins Haus zu drängeln. „Du siehst übrigens auch heiß aus.“
Ich habe mich umgezogen und ein bisschen geschminkt, um für Johns Konzert gut auszusehen. Aber eigentlich bin ich viel zu nervös, um mir darüber wirklich Gedanken zu machen. Und zu spät dran bin ich auch. Wahrscheinlich sind sie schon fertig, wenn ich endlich da bin.
Statt endlich loszufahren, verfolge ich Valerie ins Haus und gebe ihr eine ganze Liste mit Telefonnummern, Anweisungen und guten Ratschlägen. So lang, bis sie genervt die Augen verdreht und Mike in der Tür seines Zimmers erscheint. Mit verschränkten Armen lehnt er sich lässig in den Türrahmen, und als er Valerie sieht, bekommt er tatsächlich ein bisschen Farbe im Gesicht.
„Ich glaube, wir bekommen das hin, Cookie. Val wird schon in der Lage sein, das Telefon zu bedienen und einen Krankenwagen zu rufen, wenn ich plötzlich kollabieren sollte.“ Ich könnte schwören, dass da ein Hauch von Röte in seine Wangen steigt, als er Val betrachtet und dieses Funkeln in seinen Augen habe ich noch nie zuvor gesehen. Sie selbst scheint tatsächlich ein
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