Die Versuchung der Hoffnung
bisschen verlegen zu sein, als sie ihn jetzt betrachtet.
Valerie und verlegen!
Ich kann kaum fassen, was hier gerade passiert.
Mit einem letzten ungläubigen Blick auf die beiden schnappe ich mir Vals Autoschlüssel, ziehe mir kopfschüttelnd meinen Mantel über mein schwarzes Kleid und verlasse das Haus.
Als ich endlich in der Halle ankomme, in der die Sick Theories heute spielen, ist das Konzert beinah vorbei.
Wie gebannt starre ich auf die Bühne, auf der John steht und singt. Seine Stimme ist tief, rau und sexy und er gibt als Zugabe eine langsame Ballade, die ich besonders liebe. Eine Träne löst sich und rollt mir warm über meine Wange, während er die unendlichen Leiden des Trennungsschmerzes besingt.
Dann ist es vorbei. Tosender Applaus brandet auf und während kurz darauf die meisten Menschen versuchen, die Halle zu verlassen, versuche ich mich in der Hoffnung, zu John zu kommen, irgendwie in die andere Richtung vorzukämpfen.
+++
Als John die Garderobe betritt, ist er schon völlig zugedröhnt. Er hat angefangen, sich mit Alkohol zuzukippen, als Hope gestern einfach gegangen ist. Er kann sich nicht daran erinnern, schon einmal so wütend auf jemanden gewesen oder so verletzt und enttäuscht worden zu sein. Und so betrunken war er auch schon lang nicht mehr. Das Konzert hat er gerade so überstanden und irgendwie war es ihm auf einmal egal, ob er erfolgreich ist oder nicht. Ob er gut oder schlecht ist und ob es bei dem anwesenden Plattenfirmafuzzi gut ankommt oder nicht. Alles scheißegal.
Stattdessen haben seine Augen ständig das Publikum in der Hoffnung abgesucht, Hope dort doch noch irgendwo zu entdecken. Aber sie ist nicht aufgetaucht. Natürlich nicht. Wie immer geht ihre Familie vor und er spielt auf einmal keine Rolle mehr. Egal, wie sehr er sie braucht, wie lang er einen solchen Termin im Vorhinein ankündigt – für ihn hat sie keine Zeit. Dabei ist er ihr Ehemann. Und somit sollte er jawohl verlangen können, wenigstens mit ihrer Familie auf dieselbe Stufe gestellt zu werden. Mehr will er ja gar nicht. Nur das.
Der Alkohol hat seinen Verstand benebelt, aber seine Gefühle wollen sich einfach nicht darin ertränken lassen. Vielleicht können sie ja schwimmen. Immer noch sind da Wut und Enttäuschung in ihm, nur mittlerweile in einer gefährlichen Mischung mit jeder Menge alkoholisierter Unvernunft.
Mühsam hält er sich am Türrahmen der Garderobentür fest. Seiner eigenen Garderobe. Fast so, als wäre er schon ein Star. Wenigstens eine Sache, an die er sich gewöhnen könnte!
Und, aber hallo, wer ist das denn?
Da steht eine ihm fremde, aber sehr sexy Blondine mitten in seiner Kabine, die einen stahlblauen, halbtransparenten Spitzen-BH sowie einen kurzen schwarzen Minirock trägt, der mehr enthüllt, als er verdeckt. Dazu trägt sie mörderisch hohe Stöckelschuhe – und sonst nichts.
Während er sich noch fragt, wer die Unbekannte hier hereingelassen und ob sie sich wohl in der Tür geirrt hat, kommt sie, lasziv und langsam, auf ihn zu. Sie öffnet dabei ihren BH, was ihn ziemlich schnell wieder von seiner Frage ablenkt.
„Ich habe dich das ganze Konzert über beobachtet. Du warst einfach unglaublich. Ich hatte bei fast jedem deiner Songs eine Gänsehaut“, haucht sie, während sie ihren BH fallen lässt. „Übrigens bin ich auf jedem deiner Konzerte gewesen.“
Na, wenigstens eine, die interessiert, was er macht.
Im selben Moment ist sie auch schon bei ihm und fängt an, ihn zu küssen. Ohne dass er es geplant hätte, schlingt er seine Hände um ihre Taille, während sie ihre nackten Brüste gegen seinen Oberkörper presst und ihm langsam ihre Zunge in den Mund schiebt.
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Ich brauche ziemlich lang, bis ich mich zu Johns Garderobe durchgekämpft habe und wäre nie dort angekommen, wenn Frank mich nicht zufällig gesehen und netterweise mit in den Backstagebereich genommen hätte.
Meine Güte, was für eine große Veranstaltung! Mit Sicherheitsleuten und eigener Garderobe, wie richtige Stars. Das hat heute Abend wirklich eine ganz andere Dimension, als es die Konzerte der Band vorher hatten. Ich bekomme ein noch viel schlechteres Gewissen, weil ich nicht dabei gewesen bin. Ein Stück weit muss ich John ja recht geben: Ich hätte dabei sein sollen und ihm zur Seite stehen müssen.
Alles, was er wollte, war, mich dabei zu haben, um ihm Sicherheit zu geben und um so etwas gemeinsam zu erleben. Doch statt meinem Mann beizustehen, habe ich lieber den Konflikt
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