Die Versuchung der Hoffnung
zusammen, bis ich die Haustür aufschließe. Dann breche ich weinend und laut schluchzend zusammen. Innerhalb kürzester Zeit kommt Val aus Mikes Zimmer gestürzt, um zu schauen, was mit mir los ist. Als ich sie sehe, fange ich gleich noch heftiger an zu schluchzen. Es dauert bestimmt zehn Minuten, bis ich überhaupt wieder in der Lage bin, verständliche Worte von mir zu geben und ihr erzählen kann, was passiert ist.
„So ein Arschloch“, zischt sie wütend, während sie mich im Arm hält und hin und her wiegt wie ein kleines Baby. „Und Vivian, der ollen Kuh, sollte auch mal jemand ein paar auf die Nase hauen.“ Ich gebe ein Geräusch von mir, das man weder als Zustimmung noch als Ablehnung deuten kann. „Ach, ist doch wahr!“ echauffiert sich Val und ihre Wut tut mir gut. Sie reißt mich ein bisschen aus meiner Verzweiflung. Zumindest genug, um den Weg bis in die Küche zu schaffen, wo sie mich auf einen Stuhl verfrachtet und die Schränke meiner Eltern nach Tee durchsucht. Nachdem sie Wasser aufgesetzt hat, sieht sie mich nachdenklich an.
„Eigentlich wäre etwas Härteres ja besser. Gibt es in diesem Haus irgendwo Whisky?“
„In der Vitrine im Wohnzimmer.“ Mein Bruder steht im Türrahmen und betrachtet mich sorgenvoll, bevor er sich zu mir an den Tisch setzt. „Ich hab alles mit angehört. Ach Cookie … Das tut mir so leid!“ Ein wenig hilflos tätschelt er meine Hand, während ich meine Tränen wegzublinzeln versuche. Vergebens.
Zum Glück kommt Valerie schnell mit dem Whisky wieder und gießt mir einen mehr als großzügig bemessenen Schluck davon ein. Der Alkohol wärmt meine Kehle und meinen Magen und tatsächlich beruhige ich mich wenigstens ein bisschen. Als ich nach der Flasche greifen will, um mir nachzuschenken, hält Val mich zurück.
„Ein Glas reicht. Sonst hast du morgen Liebeskummer und zusätzlich einen Kater. Und du kannst mir glauben: Das ist keine gute Mischung.“
„Nein, ganz und gar nicht.“ Mike lacht leise und die beiden tauschen vielsagende Blicke aus. Was auch immer da läuft, würde mich brennend interessieren – wenn ich nicht gerade so sehr mit mir selbst beschäftigt wäre.
Statt des Whiskys schiebt Valerie mir den Tee herüber, der jetzt fertig ist. Beim Geruch von Fenchel mit Süßholz und Minze muss ich an meine Hochzeit denken und fange wieder an zu weinen. Ich schluchze so lang, bis ich das Gefühl habe, keine Tränen mehr zu haben, während Mike und Valerie mich abwechselnd in den Arm nehmen und zu trösten versuchen. Aber während ich hier sitze und weine, wird mir klar, dass mich im Moment einfach nichts trösten kann. Irgendwann bin ich so erschöpft, dass mir selbst zum Weinen die Kraft fehlt.
„Komm, ich bringe dich ins Bett.“ Wie ein kleines Kind bringt Val mich in mein Zimmer und zieht mir Schuhe, Kleid und Strumpfhose aus, was ich einfach nur stumm über mich ergehen lasse. Dann zieht sie mir das Nachthemd über den Kopf und deckt mich liebevoll zu.
„Schlaf gut, Hope. Vielleicht sieht morgen die Welt schon wieder ganz anders aus.
Leider tut sie das nicht. Genaugenommen sieht die Welt für mich am nächsten Morgen sogar noch beschissener aus als am Abend zuvor. Nachdem ich vor lauter Erschöpfung eingeschlafen bin, wurde ich immer wieder von Albträumen geweckt und habe mich jedes Mal wieder in den Schlaf weinen müssen. Ich habe entsetzliche Kopfschmerzen und meine Nase ist verstopft, mein Gesicht fühlt sich von der vielen Heulerei völlig verquollen an. Ich bin kaum fünf Minuten wach, als es an der Tür klingelt. Ohne es sicher wissen zu können, kann ich mir denken, wer das ist und am liebsten würde ich mich unter meinem Bett verkriechen.
Vorsichtig schleiche ich mich zu meiner Zimmertür und warte bis Val vorbeikommt, um die Haustür zu öffnen.
„Wenn das John ist, dann will ich ihn nicht sehen“, flüstere ich ihr zu.
Sie nickt verständnisvoll „Das dachte ich mir schon.“ Dann geht sie weiter zur Eingangstür, während ich mich in meinem Zimmer verstecke, aber in der Nähe der Zimmertür bleibe, um besser lauschen zu können. Warum ich hören will, was John sagt, weiß ich selbst nicht so genau. Aus masochistischem Selbsthass vielleicht. Oder aus neu erwachtem wissenschaftlichen Interesse, das der Frage gilt, ob es etwas gibt, das dazu führt, dass es mir noch ein bisschen schlechter geht als im Moment.
Und was soll ich sagen: Es funktioniert. Ich brauche nur Johns Stimme zu hören und schon verwandle ich mich
Weitere Kostenlose Bücher