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Die Versuchung der Hoffnung

Die Versuchung der Hoffnung

Titel: Die Versuchung der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Kaiser
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innerlich genervt die Augen verdrehen, folgt er mir in Richtung Esstisch und setzt sich.
    „Ist der Mann, der neulich hier war, John Petterson?“, fragt er mich, bevor ich selbst überhaupt dazu komme, irgendetwas zu sagen. Mir bleibt fast das Herz stehen.
    „Ja, das ist John Petterson“, antworte ich nach kurzem Zögern wahrheitsgemäß.
    „Ist er mein Vater?“
    Ich höre mich selbst nach Luft schnappen und bringe nur ein schwaches Nicken zustande.
    Über Sams Gesicht huscht ein Strahlen.
    „Cool. Meinst du, er könnte mich mal von der Schule abholen, damit meine Freunde ihn sehen?“
    Na, das war ja einfach.
    „Ich denke schon, Sam. Aber vielleicht sollten wir ihn erst mal so treffen, damit du ihn ein bisschen besser kennenlernen kannst?“
    „Kommst du dann mit?“
    „Ja, so hatte ich es geplant.“
    „Muss ich ihn Daddy nennen?“
    „Nein, das musst du nicht. Du kannst ihn einfach John nennen, wenn du das möchtest.“
    „Ja, ich glaube, das wäre mir lieber.“ Nachdenklich sieht er mich einen Augenblick lang an. „Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass er genauso mein Dad ist, wie du meine Mom bist.“
    Meine Augen füllen sich schon wieder mit Tränen, das scheint langsam zu einer schlechten Angewohnheit zu werden. Etwas Schöneres hätte mein Sohn mir in dieser Situation gar nicht sagen können.
    Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass jemand je genauso dein Dad sein wird, wie ich deine Mom bin.
    „Ich hab dich lieb, mein Schatz. Und du kannst deinen … du kannst John ja erst mal ein bisschen kennenlernen und dann sehen wir weiter, okay?“
    „Ja, okay. Kann ich jetzt rüber zu Greg zum Spielen?“
    „Hast du Hausaufgaben auf?“
    „Nein, alles schon erledigt.“
    „Dann verschwinde. Viel Spaß!“
    „Ich hab dich auch lieb, Mom!“ Er gibt mir einen Kuss auf die Wange und ist schon halb zu Tür raus, als ich ihm hinterherrufe:
    „Aber bevor du gehst, musst du deine Schulsachen noch wegräumen!“
    Sam grinst, als er mich hört und mir geht es auch gleich viel besser.
     
    Im Gegensatz zu mir ist Sam am nächsten Tag recht entspannt. Ich habe ihm Kino versprochen und ihn den Film aussuchen lassen, schließlich geht es hier ja um ihn und nicht um John und mich.
    John holt uns pünktlich ab, und als er vor der Tür steht und klingelt, ist es Samuel, der die Tür aufmacht.
    Aus einigen Metern Abstand beobachte ich, wie sich die beiden erst einmal schweigend beäugen und es fühlt sich … komisch an. Da stehen mein Sohn und der Mann, der mal meiner war und jetzt Sams Vater ist. Ich fühle mich keinem Menschen auf der Welt so nah wie meinem Sohn. Ich erinnere mich, dass ich für Jonathan mal zumindest ähnliche Gefühle hatte. Die beiden sind Fremde füreinander und trotzdem haben sie eine Verbindung zueinander, so wie sie eine Verbindung zu mir haben. Und ich … bin verwirrt, traurig, angstvoll, glücklich und gerührt zugleich.
    „Hi“, sagt Sam jetzt und reicht John ganz formell die Hand. „Ich bin Samuel Jonathan Petterson.“ Meine Brust wird ganz eng, während ich gleichzeitig lächeln muss.
    „Hallo, Samuel.“ John ergreift Sams ausgestreckte Hand mit der rechten und legt ihm die linke in einer freundschaftlichen Geste auf die Schultern. „Ich heiße auch Jonathan Petterson.“
    „Ja, ich weiß.“ Neugierig schaut Sam John ins Gesicht. „Mom hat immer gesagt, dass ich fast wie mein Vater heiße.“
    John sieht erstaunt aus und sucht meinen Blick, aber ich weiche ihm aus, weil ich gerade nicht weiß, ob ich dann nicht die Fassung verliere. Schnell drehe ich mich zur Seite, tue so, als würde ich etwas in meiner Handtasche suchen und ziehe schließlich einen Schlüsselbund daraus hervor.
    „Wir müssen langsam los.“ Ich nehme Sams und meine Jacke von der Garderobe und gehe zur Tür.
    John öffnet erst Sam die hintere Tür seines Wagens und dann mir die vordere, bevor er selbst ins Auto steigt.
    Sein Wagen ist groß und bequem und eher unauffällig, aber ich habe von Autos wenig Ahnung. Eine ganze Weile herrscht Schweigen, bis John irgendwann das Radio anstellt. Bei einem Popsong fängt Sam verträumt an mitzusingen und John verzieht grinsend das Gesicht.
    „Ich glaube, ich muss dringend mit ihm über seinen Musikgeschmack reden“, raunt er mir zu und ich muss leise lachen.
    „Was das angeht, rennst du bei mir offene Türen ein“, flüstere ich zurück.
    „Ich hoffe, er hat wenigstens einen vernünftigen Film ausgesucht?“
    Bevor ich antworte, hole ich ganz tief

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