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Die Versuchung der Hoffnung

Die Versuchung der Hoffnung

Titel: Die Versuchung der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Kaiser
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Luft. Sam singt immer noch hinter mir, gar nicht mal so schlecht, aber viel zu laut.
    „Er möchte in den neuesten Teil von Ice Age.“ Ich sage das so neutral wie möglich.
    „Oh“, erwidert John und ich weiß ganz genau, woran er gerade denkt. Nämlich an nichts anderes, als ich auch denke. Nervös lecke ich mir über die Lippen, während heiße Röte in mein Gesicht steigt und mir auch ansonsten ziemlich warm wird. Ich öffne das Fenster, um ein bisschen kühle Luft in das Auto zu lassen.
    „Ist dir warm, meine Schöne?“ Johns Stimme ist die pure Verführung. Er weiß genau, was in mir vorgeht und einen Moment lang hasse ich ihn genauso inbrünstig wie meinen blöden, verräterischen Körper, der ständig nur auf Sex aus zu sein scheint.
    Hope Elizabeth Petterson, im Grunde bist du nicht viel besser als ein notgeiles Kaninchen.
     
    +++
    Ice Age!
    John hat diesen verdammten Film die letzten neun Jahre gemieden wie der Teufel das Weihwasser.
    Es gibt Erinnerungen, die sind neutral. Wenn wir uns erinnern, dann ist es so, als würde ein Film abgespielt werden, schwarzweiß und emotionslos. Andere Erinnerungen sind mit Gefühlen verbunden, positiv oder negativ, aber sie sind abgeschwächt, verfälscht durch die vielen Jahre, die die Ereignisse zurückliegen. Und dann gibt es Erinnerungen, die sich anfühlen, als wäre man in einer Zeitmaschine gelandet. Und wenn wir uns erinnern, dann ist es plötzlich so, als wäre alles wieder da. Das Gefühl, das Glück, die Liebe … oder auch der Schmerz. Oder beides auf einmal.
    Die Erinnerung an den Abend mit Hope im Autokino gehört ganz eindeutig in die letzte Kategorie. In den vergangenen Jahren hat John mehr als einmal verflucht, dass sie dort ausgerechnet einen Film gesehen haben, der einen auch noch Jahre später ständig und an allen Ecken anzuspringen scheint.
    Und jetzt ist es auch noch der erste Film, den er mit Sam sieht. Mit seinem Sohn!
    +++
     
    Nachdem John sowohl Sam als auch mich mit Getränken und Popcorn versorgt hat, setzen wir uns so hin, dass unser Sohn den Platz zwischen uns einnimmt.
    Wie eine richtige Familie.
    Der Gedanke ist intensiv, aber ich weiß auch, dass er ungesund für mich ist. John und ich … das ist Vergangenheit. Die einzige Zukunft, die wir miteinander haben, ist es, nun gemeinsam Eltern zu sein. Für Samuel. Eine andere Art von „wir“ wird es nicht geben. Das eine Mal, dass wir aus Versehen miteinander im Bett gelandet sind, war ein Ausrutscher und soll es auch bleiben. Es ist auch so schon alles kompliziert genug. Es ist eigentlich erstaunlich, wie gut Sam es bisher aufgefasst hat, dass ich ihm seinen Vater plötzlich nach all den Jahren einfach so präsentiert habe.
    Nachdenklich stopfe ich mir eine Handvoll Popcorn in den Mund, ohne die klebrige, krümelige Süße tatsächlich wahrzunehmen und tue so, als würde ich interessiert der Werbung zusehen.
    „Mom? Ich muss mal zur Toilette.“ Sams Flüstern bringt mich zurück ins Hier und Jetzt. Ich habe keine Ahnung, warum Kinder immer dann müssen, wenn es gerade entweder unpraktisch, unpassend oder schlicht unmöglich ist. Solche Situationen müssen sich irgendwie förderlich auf ihren Harndrang ausüben. Ich höre mich selbst leicht genervt seufzen.
    „Dann geh schnell, bevor der Film anfängt“, flüstere ich zurück und schaue Sam hinterher, der sich an John vorbei bis zum Mittelgang vorkämpft.
    Als er zurückkommt, flüstert er irgendetwas mit John, der daraufhin einen Platz aufrutscht und jetzt neben mir sitzt.
    „Was denn jetzt?“, frage ich John unfreundlicher, als gewollt.
    „Sam sagt, er sieht auf seinem Platz nichts, weil der Typ vor ihm so groß ist. Deshalb haben wir getauscht“, raunt er zurück, und als er sich zu mir rüberlehnt, erreicht mich eine warme Woge seines Dufts. Keine Ahnung, ob er mit Pheromonen angereichertes Parfüm benutzt, aber mich bringt dieser Duft dazu, auch auf die Toilette gehen zu wolle n aber nicht allein. Ich beschließe, den Rest des Films einfach nur noch durch den Mund zu atmen.

 
Kapitel 17
     
    +++
    Neben Hope zu sitzen, und das ausgerechnet in diesem Film, erweist sich als keine sonderlich gute Idee. Den ganzen Film über ist John peinlich darauf bedacht, sie bloß nicht zu berühren. Fast so, als ob er sich mit einer ansteckenden Seuche infizieren würde, wenn er es doch täte.
    Reiß dich zusammen und benimm dich wie ein Mann!
    Entschlossen greift er nach dem Popcorn in der riesigen Tüte, die sie auf dem Schoß

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