Die Versuchung der Hoffnung
stehen hat; dummerweise geschieht dies in genau dem Moment, als auch Hope danach greift. Ihre Hände berühren sich und beide zucken sie so heftig zurück, dass sich die Hälfte des Popcorns auf dem Fußboden verteilt.
Auf das hektische Einsammeln folgt peinliches Schweigen, das so laut zu sein scheint, dass John vom Film kaum etwas mitbekommt.
+++
Anderthalb Stunden im Dunklen neben John sitzen zu müssen, ist eine Herausforderung für sich und ich bin froh, als es vorbei ist.
Als wir hinterher etwas essen gehen, setze ich mich so weit wie möglich von ihm weg. Im Prinzip hätte ich gar nicht mitkommen müssen. Vater und Sohn verstehen sich blendend und fachsimpeln über irgendwelche Computerspiele, von denen ich keine Ahnung habe. Auch die ganze Rückfahrt über geht es um kaum etwas anderes. John verspricht Samuel, dass er ihm irgendwelche Tricks zeigen will und dass sie auf einer großen Leinwand spielen, wenn Sam ihn besuchen kommt.
John und ich verabschieden uns nur mit einem Gruß, während Sam und John sich umarmen und sich in männlicher Geste auf die Schulter klopfen. Ich muss darüber lächeln, wie cool Samuel in Johns Anwesenheit tut.
Mit sehr gemischten Gefühlen lasse ich Sam wenige Wochen später das erste Mal ein ganzes Wochenende zu Jonathan fahren. Die beiden haben sich ein paar Mal getroffen und in der näheren Umgebung etwas ohne mich unternommen. Jedes Mal kam Sam mit diesem Strahlen in den Augen wieder und hat mit einem Tonfall, der an Heldenverehrung erinnert, von seinem Vater berichtet. Während mich das auf der einen Seite freut, macht es mir auf der anderen Seite Angst, deren Grund ich nicht richtig benennen kann.
Es ist ohnehin ein komisches Gefühl, dass mein Sohn jetzt ein Wochenende bei seinem Vater verbringt. Ich bin so sehr und so lang vom Gefühl her sein einziger Elternteil gewesen, dass es mir einfach nicht in den Kopf will, dass da jetzt noch jemand anderer ist. Jemand, der theoretisch die gleichen Rechte hat wie ich. Sogar das gleiche Recht auf Sams Liebe.
Wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin, muss ich wohl zugeben, dass ich entsetzlich eifersüchtig bin. Aber Samuel zuliebe versuche ich, dieses Gefühl zu ignorieren. Er kann schließlich am allerwenigstens für die vertrackte Situation und er hat ein Recht darauf, auch seinen Vater lieben zu dürfen. Von ganzem Herzen und ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass mich das verletzen könnte.
Dennoch muss ich mich an die Situation erst gewöhnen und das fällt mir alles andere als leicht.
Valerie und Mike laden mich abends zum Essen ein, nachdem ich ein Date mit dem lieben Ronald gerade noch so vermeiden konnte. Er erweist sich als hartnäckiger als befürchtet. Vielleicht sollte ich meine Telefonnummer ändern. Oder hundert Kilo zunehmen und aufhören, mir die Haare zu waschen, dann könnte sich das Problem mit ihm von selbst erledigen.
Ich bedauere es trotzdem fast ein wenig. Wäre er nur ein bisschen weniger in sich selbst verliebt, wäre dieses Wochenende perfekt gewesen, um sich zu einem Date zu verabreden und auf andere Gedanken zu kommen.
Als ob du an etwas anderes denken würdest als an John und Sam.
Beim Sex vielleicht schon!
Als ob du Lust auf einen anderen als J…
Bevor ich den Gedanken zu Ende denken kann, schnappe ich mir eine Flasche Wein, um zu meiner besten Freundin und meinem Bruder zu gehen.
Der Abend dort vergeht erstaunlich schnell, ich hatte fest damit gerechnet, dass ich mich mehr quälen müsste, um die Zeit irgendwie herumzubekommen. Vielleicht liegt es daran, dass vor allem Mike fast genauso sehr leidet wie ich. Für ihn ist die Bedrohung ja noch viel konkreter. Er hat bisher die Rolle der Vaterfigur in Sams Leben eingenommen. Und dass es da nun einen anderen gibt, das bereitet ihm genauso viel unsinnige Angst wie mir auch.
Aber auch wenn es abgedroschen klingen mag: Geteiltes Leid ist eben halbes Leid. Mir geht es deutlich besser, als ich nachts mit einem kleinen Schwips zurück nach Hause laufe und ich kann sogar gut schlafen, was aber vielleicht auch am Rotwein liegen mag.
+++
Obwohl John von Kindern überhaupt keine Ahnung hat, ist er von Sam absolut hingerissen. Sie waren zusammen essen, im Kino und im Aquarium und haben bis spät in die Nacht Comicverfilmungen angeschaut. Der Junge ist still und intelligent, hat aber bedauerlicherweise einen entsetzlichen Musikgeschmack. Noch schlechter sind eigentlich nur seine Fähigkeiten beim Commander of the Universe
Weitere Kostenlose Bücher