Die Versuchung der Zeit: Hourglass 2 - Roman (German Edition)
Blick durch das Café und auf den Gehsteig schweifen, sah jedoch nichts weiter als einen Mann, der eine Zeitung studierte. Er hatte schon dagesessen, als ich hereinkam, vor sich eine dampfende Tasse Kaffee. Ich starrte in seine Richtung, und er ließ die Zeitung sinken.
Blondes Haar. Kalte blaue Augen. Selbstzufriedenes Lächeln. Eine Taschenuhr in der Hand.
Jack.
Ich schob meinen Stuhl zurück und stieß gegen den Tisch.
Lily schnappte sich ihre Teetasse, damit sie nicht hinunterfiel. »Hey! Was ist los?«
Gerade hatte er noch dagesessen, und im nächsten Augenblick war er verschwunden. Ich eilte zum Ausgang und stieß die Tür so heftig auf, dass die Angeln aufkreischten. Vergebens. Neben dem Tisch, an dem er gesessen hatte, befand sich ein Schleier. Mit schwarzer Tinte hatte er eine Nachricht auf eine Serviette geschrieben.
Ist er da, ist er weg.
14. KAPITEL
L ily kam durch die Tür gestürmt. »War das …?«
»Ja.« Ich schob die Serviette mit der mysteriösen Nachricht in die Hosentasche. Sie sollte nicht wissen, was Jack geschrieben hatte und welche Drohung in seinen Worten lag. Dass er überall sein konnte.
»Ich habe ihm ins Gesicht gesehen. Ihm Kaffee eingeschenkt. Ich hab ihn berührt .« Sie erschauerte und rieb sich die Oberarme. »Aber ich habe ihn nicht wiedererkannt.«
»Es ist sein Spielchen. Seine Taktik. Er legt Schwächen bloß und zeigt Möglichkeiten auf.« Ich lehnte mich an die Fensterfront. Das kühle Glas an meinem Rücken wirkte ein wenig beruhigend. Doch sobald ich anfing, mich zu entspannen, spielten Lilys Nerven verrückt und fuhren mir in die Magengrube. »Da ist noch etwas, das dich beunruhigt. Was ist es?«
Sie lehnte sich neben mir ans Fenster. »Hast du gerade meine Gedanken gelesen?«
»Als ob ich was dafür könnte.« Ich warf ihr einen Seitenblick zu. »Vor lauter Aufregung sprühst du Funken wie ein Feuerwerk.«
»Bevor du kamst, hat dein Dad angerufen.« Sie seufzte. »Ich wollte dir gar nichts davon sagen.«
»Aha?« Ich sah sie an. »Wer von uns ist in Schwierigkeiten?«
»Ich habe ein positives Testergebnis für das Zeitreise-Gen.« Sie lachte verbittert und hielt sich die Hände vors Gesicht. Ihre Fingernägel waren perfekt geformt. »Das war heute. Was kommt als Nächstes? Blutiges Wasser? Heuschrecken?«
»Die biblischen Plagen?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust und starrte auf die vorbeifahrenden Autos. Ein roter Sportwagen drehte eine Runde nach der anderen, entweder zum Vergnügen, oder weil er sich verfahren hatte. »So schlimm?«
»Ich denke, ich würde dich unter den Geschwüren verbuchen.«
»Aua.«
»Okay«, lenkte sie ein. »Vielleicht bei den Fröschen.«
»Du weißt, was passiert, wenn du einen Frosch küsst?«, fragte ich und genoss den ungezwungenen Spaß inmitten von all dem Chaos.
»Ich glaube, sie fangen an zu pinkeln.« Sie stemmte die Hände in die Hüften und versperrte mir die Sicht auf die Straße. »Der Anruf deines Vaters hat dich nicht überrascht.«
Ich schüttelte den Kopf. »Mich überrascht gar nichts mehr.«
»Wieso?«
»Irgendwas läuft … merkwürdig. In unserer Welt.« Ich wollte nicht »falsch« sagen, weil es sich angehört hätte wie: »Willkommen in der Hölle, wo das Feuer jetzt noch heißer brennt.«
»Merkwürdig? Mehr hast du dazu nicht zu sagen?« Entnervt hob sie die Hände. »Das ist traurig. Ich dachte, wir zwei hätten eine Vereinbarung getroffen.«
»Und die wäre?« Ich konnte nicht verstehen, wieso sie sich so im Stich gelassen fühlte.
»Dass du mir die Wahrheit sagst«, schmollte sie.
Obwohl wir uns nicht mochten, war ihre Unterlippe unglaublich verlockend. »Ehrlichkeit ist nicht gerade meine Stärke.«
»Das hier ist etwas anderes. Wir arbeiten zusammen für ein gemeinsames Ziel. Ich bin keine Eroberung«, sagte sie. »Steh nicht mal zur Debatte für dich, also sag mir bitte die Wahrheit.«
Welch ungewöhnliche Bitte. »Okay.«
»Ich glaube, mit meiner Theorie, dass Ivy Springs eine magnetische Anziehungskraft auf Freaks ausübt, liege ich ganz richtig«, sagte sie und nickte, wobei sich ein paar Strähnen aus ihrem locker aufgesteckten Haar lösten. »Wenn schon drei Leute aus derselben Heimatstadt das Zeit-Gen in sich tragen?«
»Genau genommen ist Memphis meine Heimatstadt.«
»Wirklich?«
»Nach meiner Geburtsurkunde schon«, gab ich zu.
»Es spielt keine Rolle, ob wir hier geboren wurden, wir wurden von der Stadt angezogen. Wie von einem Magneten .« Lily sprach das Wort
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