Die Versuchung der Zeit: Hourglass 2 - Roman (German Edition)
drückte eine Taste, der Bildschirm leuchtete auf. Er drehte ihn herum, damit wir ihn sehen konnten, und zog einen Laserpointer aus der Tasche. »Setzt euch so hin, dass alle was sehen können, damit Em nicht wieder um sich boxen muss.«
Sobald wir saßen, drückte er die Entriegelungstaste des Skrolls, woraufhin ein flacher, flexibler Bildschirm herausglitt. Er sah aus, als sei er aus Silikon. Bilder tauchten darauf auf, und nach einem weiteren Tastendruck wurde der Bildschirm zu einem holografischen Projektor. Bilder, Dokumente, Kalender, Karten – einige sehr simpel, andere hoch kompliziert – wirbelten auf Tastendruck durch die Luft.
»Donnerwetter«, zischte Nate.
»Wie funktioniert das genau?«, fragte Em.
»Ich werd’s euch zeigen. Aber zuerst muss ich euch etwas gestehen.« Dune legte den Laserpointer ab. »Ich weiß schon lange vom Infinityglass. Es ist eine Art Obsession. Genau wie Chronos.«
»Wie bitte?«, fragte ich entgeistert. Dune hielt sich immer streng an Logik und Fakten. Seine Fähigkeit, die Flut zu kontrollieren, konnte er nicht ohne Folgen einsetzen. Folgen wie Tsunamis. Etwas so Abwegiges wie ein mythisches, allmächtiges Stundenglas schien so gar nicht sein Ding zu sein. »Wie hast du davon erfahren?«
»Mein Dad hat mir Geschichten darüber erzählt, als ich ein kleiner Junge war. Und dann, als ich älter wurde, habe ich Nachforschungen angestellt. Was glaubt ihr wohl, wieso ich so gut recherchieren kann?« Er grinste. »Vor Kurzem habe ich herausgefunden, dass Chronos in unterschiedliche Richtungen forscht. Hourglass ist nicht die einzige Gruppe, die sich auf zeitbezogene Fähigkeiten konzentriert. Chronos stand in Verbindung zu jeder wichtigen horologischen Erkenntnis der letzten hundert Jahre. Habt ihr schon mal von Horologie gehört?«
Nate kicherte. »Ich kenne nur Urologie. Aber ich bin jetzt still. Versprochen.«.
Dune schüttelte den Kopf. »Horologie ist die Wissenschaft der Zeit und der Zeitmessgeräte, von der Wasseruhr zum Stundenglass zum Pendel und so weiter. Man könnte das Infinityglass als das ultimative Zeitmessgerät innerhalb der Horologie bezeichnen. Manche halten es für einen Mythos, andere für real. Und das ist es, was sich auf dem Skroll befindet. Informationen über das Infinityglass.«
»Was ist es denn?«, wollte Em wissen. »Was soll es bewirken?«
»Das Infinityglass sollte ursprünglich nur einem einzigen Zweck dienen«, erklärte Dune. »Es sollte die zeitbezogenen Fähigkeiten von Mensch zu Mensch weiterleiten. Doch stattdessen konnte derjenige, in dessen Besitz sich das Infinityglass befand, die zeitbezogenen Fähigkeiten all derer stehlen, die er berührte.«
Hilflosigkeit. Hoffnungslosigkeit. Ems Emotionen stürmten auf mich ein.
»Das Infinityglass ist die andere Alternative.« Ems Niedergeschlagenheit war in ihrer Stimme zu hören. »Jacks Versuch, allein auf Zeitreise zu gehen, ist fehlgeschlagen. Mit mir zu reisen hat auch nicht funktioniert. Also sucht er jetzt nach dem Infinityglass und bringt uns alle in Gefahr.«
»Aber dazu müsste er es zuerst finden«, sagte Dune mit entschlossenem Gesichtsausdruck. »Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wurden Berichte über das Infinityglass seltener. Es tauchte noch einmal kurz in den Vierzigerjahren wieder auf. Und dann noch einmal in den Achtzigern. Beide Male soll es in Ägypten gesehen worden sein, doch dann war es wieder verschwunden.«
»Ägypten?«, wiederholten Lily und ich im Chor.
»Es ging das Gerücht, es könnte einen Zusammenhang mit den Pyrami…- oh, verflucht.« Dune senkte den Kopf.
»Nun, zumindest haben wir jetzt einen Anhaltspunkt«, sagte Em. »Die Zentrale der mythischen Zeitmafia scheint sich tatsächlich in einer verlassenen Pyramide im Stadtzentrum von Memphis zu befinden.«
»Das erklärt die Achtzigerjahre, aber nicht die Vierziger«, meinte Dune. Ich konnte fast hören, wie er die Informationen in seinem Kopf durchrattern ließ.
»Warum sollte Teague uns ein Ultimatum stellen, Jack zu finden, wenn sie nicht glauben würde, sie wäre kurz davor, ihn oder das Infinityglass aufzuspüren?«, fragte ich. »Und wenn Jack kurz davor wäre, es zu finden, wieso sollte er dann das Risiko eingehen, aufzutauchen und uns zu ärgern?«
»Wer weiß, was Jack denkt«, wandte Em ein.
»Auf dem Skroll gibt es so viele Informationen über das Infinityglass, dass man sie gar nicht alle verarbeiten kann.« Nate stand auf und holte sich etwas zu trinken. »Wer hat sie dort
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