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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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dunkel. Sie war sicher, daß die Tür abgeschlossen war. Sie konnte sich auch nicht vorstellen, daß Jackson noch lange geblieben war, nachdem sie sich auf den Weg gemacht hatte. LuAnn vermutete, daß sie seine einzige »Klientin« gewesen war.
    Sie hatte bei der Fernfahrerkneipe angerufen, sich krank gemeldet und eine schlaflose Nacht bei einer Freundin damit verbracht, den Vollmond anzustarren und Lisa zu betrachten, deren kleines Mündchen im Schlaf die komischsten Grimassen schnitt. LuAnn hatte sich dazu durchgerungen, die endgültige Entscheidung über Jacksons Vorschlag erst dann zu fällen, wenn sie weitere Informationen besaß.
    Nur einen Entschluß hatte sie sehr schnell gefaßt: Sie würde nicht zur Polizei gehen. Sie konnte nichts beweisen, und wer würde ihr glauben? Dieser Schritt würde sie keinen Fingerbreit weiterbringen, und mindestens fünfzig Millionen Gründe sprachen dagegen. Obgleich LuAnn sonst sehr genau wußte, was richtig und was falsch war, nagte ständig die Versuchung in ihr: Vielleicht lag unglaublicher Reichtum direkt vor ihren Augen. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil die Entscheidung nun nicht mehr schwarz und weiß war. Doch die letzte Episode mit Duane hatte sie darin bestärkt, daß Lisa nicht in einer solchen Umgebung aufwachsen durfte. Es mußte etwas geschehen.
    Die Verwaltung des Einkaufszentrums befand sich am Ende eines Korridors auf der Südseite des Gebäudes. LuAnn machte die Tür zum Büro auf und trat ein.
    »LuAnn?«
    Verblüfft starrte LuAnn in die Richtung, aus der die Stimme erklungen war. Hinter dem Schalter stand ein junger Mann in kurzärmeligem Hemd, Krawatte und schwarzer Hose. Vor Aufregung schnippte er mit dem Kugelschreiber. LuAnn blickte ihn an, ohne die leiseste Ahnung zu haben, wer der Bursche war.
    Der junge Mann schwang sich über den Schalter. »Ich hab’ auch nicht erwartet, daß du dich an mich erinnerst. Johnny Jarvis. Aber ›John‹ ist mir lieber.« Er streckte ihr geschäftsmäßig die Hand entgegen, grinste und schloß sie in die Arme. Dann bewunderte er Lisa eine volle Minute lang. LuAnn nahm eine kleine Decke aus der Tasche und setzte ihre Tochter samt einem Stofftier darauf.
    »Ich kann’s nicht fassen. Du bist es, Johnny. Ich hab’ dich seit – wie lange? – seit der sechsten Klasse nicht mehr gesehen.«
    »Du warst damals in der siebten und ich in der neunten.«
    »Du siehst gut aus. Wirklich gut. Wie lange arbeitest du schon hier?«
    Jarvis lächelte stolz. »Nach der High School bin ich aufs Community College gegangen und habe mein Diplom in Naturwissenschaften gemacht. Ich hab’ hier mit dem Eingeben von Daten in den Computer angefangen, aber inzwischen bin ich so was wie ein Assistent der Geschäftsleitung des Einkaufszentrums.«
    »Gratuliere. Das ist ja großartig, Johnny – ich meine, John.«
    »Ach was. Du kannst Johnny zu mir sagen. Ich kann’s immer noch nicht glauben, daß du einfach durch die Tür gekommen bist. Ich dachte, mich trifft der Schlag, als ich dich gesehen habe. Ich hätte nie geglaubt, daß wir uns noch mal über den Weg laufen. Ich dachte, du wärst nach New York City oder sonstwohin gegangen.«
    »Nee, ich bin immer noch hier«, sagte sie schnell.
    »Dann wundert es mich aber, daß ich dich bis jetzt noch nie hier im Einkaufszentrum gesehen habe.«
    »Ich komme nicht oft. Es ist ziemlich weit von da, wo ich jetzt wohne.«
    »Setz dich doch und erzähl mir, was du so gemacht hast. Ich hatte keine Ahnung, daß du ein Baby hast. Ich hab’ nicht mal gewußt, daß du verheiratet bist.«
    »Bin ich nicht.«
    »Oh.« Jarvis errötete. »Äh, möchtest du einen Kaffee oder sonst etwas? Ich habe gerade frischen gekocht.«
    »Ich hab’s ein bißchen eilig, Johnny.«
    »Ja, nun, was kann ich für dich tun?« Plötzlich lächelte er nicht mehr. »Du suchst doch nicht etwa ’nen Job, oder?«
    LuAnn blickte ihn scharf an. »Und wenn doch? Wäre das so schlimm?«
    »Nein, äh, natürlich nicht. Ich hab’ nur nicht damit gerechnet … na ja, ich hätte nie erwartet, daß du mal in einem Einkaufszentrum arbeiten würdest. Das hab’ ich gemeint.« Er lächelte.
    »Ein Job ist ein Job, stimmt’s? Du arbeitest doch auch hier. Und überhaupt – was hätte ich deiner Meinung nach mit meinem Leben anfangen sollen?«
    Jarvis lächelte nicht mehr, sondern wischte sich nervös die Hände an den Hosenbeinen ab. »Ich wollte dir wirklich nicht zu nahetreten, LuAnn. Aber ich hatte mir immer vorgestellt, daß du in

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