Die Versuchung
hinein. Er probierte; dann schüttete er ein Heftchen Süßstoff hinein, ehe er fortfuhr: »Aber er hat Roberta Reynolds besucht.«
Alicia verschränkte die Arme vor der Brust und blickte ihn empört an. »Ach, wirklich?«
»Hat er Ihnen gegenüber nicht erwähnt, daß er sich mit ihr treffen wollte?«
»Er hat mir nie etwas erzählt.«
Rollins dachte einen Moment darüber nach. »Ma’am, wir haben Ihren Namen von Donovans Anrufbeantworter in seiner Wohnung. Sie haben auf Band gesprochen und ziemlich aufgeregt geklungen. Sie haben ihm die Nachricht hinterlassen, daß es gefährlich sei, woran er gearbeitet hat.«
Alicia schluckte den Köder nicht.
»Seine Wohnung wurde durchsucht. Alle seine Unterlagen und Aufzeichnungen sind verschwunden.«
Alicia begann zu zittern. Rasch krampfte sie die Hände um die Armlehnen des Sessels.
»Vielleicht sollten Sie Ihren Kaffee trinken, Miss Crane. Sie sehen aus, als wäre es mit Ihren Nerven nicht zum besten bestellt.«
»Mir geht es gut.« Doch sie hob die Tasse an den Mund und trank nervös mehrere Schluck. »Aber wenn jemand Thomas’ Wohnung durchsucht hat, wie Sie sagen, dann muß noch jemand in die Sache verstrickt sein. Sie sollten sich darauf konzentrieren, diese Person festzunehmen.«
»Da würde ich Ihnen vollkommen beipflichten, aber es gibt keine Hinweise in dieser Richtung. Also muß ich mich daran halten, was ich habe. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß Miss Reynolds ein sehr prominentes Mitglied der Washingtoner Gesellschaft war. Man setzt uns ganz schön unter Druck, ihren Mörder schnellstmöglich zu finden. Ich habe bereits mit jemandem von der Tribune gesprochen. Man sagte mir, Donovan würde an einer Geschichte arbeiten, die mit den Gewinnern der Lotterie zu tun hat. Und Roberta Reynolds war eine der Gewinnerinnen. Ich bin zwar kein Reporter, aber wenn es um derartige Summen geht, wäre das durchaus ein Mordmotiv.«
Alicia lächelte kurz.
»Möchten Sie mir jetzt etwas sagen?«
Alicia machte wieder das verschlossene Gesicht und schüttelte den Kopf.
»Miss Crane, ich bin bei der Mordkommission, seit mein Jüngster geboren wurde, und der hat inzwischen selbst schon Kinder. Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch, aber Sie verheimlichen mir etwas, und ich würde gern den Grund dafür wissen. Einen Mord sollte man wirklich nicht auf die leichte Schulter nehmen.« Er blickte sich in dem eleganten Raum um. »Mörder oder Personen, die Mördern helfen, enden an Orten, die nicht annähernd so gemütlich sind wie dieses Zimmer.«
»Was wollen Sie damit unterstellen?«
»Ich unterstelle überhaupt nichts. Ich bin hergekommen, weil ich nach Fakten suche. Ich habe Ihre Stimme auf Donovans Anrufbeantworter gehört. Diese Stimme hat mir zwei Dinge verraten: Erstens hatten Sie Angst um ihn. Zweitens wußten Sie ganz genau, warum Sie Angst um ihn hatten.«
Alicia rang die Hände im Schoß. Rollins wartete geduldig, während sie sich zu einem Entschluß durchrang.
Als sie sprach, kamen die Worte stoßweise. Rollins holte sein Notizbuch hervor und schrieb mit.
»Ursprünglich hatte Thomas mit den Nachforschungen über die Lotterie angefangen, weil er überzeugt war, daß mehrere fragwürdige Anlageberaterfirmen das Geld der Gewinner so schlecht investiert hatten, daß es verloren ging, oder daß diese Firmen Unsummen an Provision kassierten – abschöpfen nannte er es. In allen Fällen mit dem Ergebnis, daß die Gewinner schließlich nichts mehr besaßen. Deshalb haßte er auch die Regierung, weil sie die armen Menschen ihrem Schicksal überließ. Keiner der Gewinner hatte auch nur die leiseste Ahnung von den Steuergesetzen. Dann kam das Finanzamt und hat sich alles zurückgeholt – und noch mehr. Zum Schluß standen die Leute ohne einen Cent da.«
»Wie ist er zu dieser Schlußfolgerung gelangt?«
»Konkurserklärungen«, sagte sie nur. »Alle diese Leute haben sehr viel Geld gewonnen, und fast alle mußten hinterher Konkurs anmelden.«
Rollins kratzte sich am Kopf. »Ach ja, davon habe ich hin und wieder gelesen. Aber ich dachte bisher immer, daß die Gewinner nicht sparsam mit dem Geld umgegangen sind. Sie wissen schon. Sie geben alles mit vollen Händen aus und vergessen, die Steuern zu zahlen, wie Sie sagten. Man kann auch große Summen ziemlich schnell durchbringen. Wahrscheinlich würde es mir genauso ergehen. Ich würde durchdrehen und mein Geld ziemlich schnell auf den Kopf hauen.«
»Aber Thomas war überzeugt, daß das nicht alles
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