Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
ist.«
»Wie großzügig von ihm«, kommentierte sie trocken. Sollte Haji mit seinen scheinheiligen Zugeständnissenruhig jedem möglichen Vorwurf ihrerseits zuvorkommen.
»Es würde mich nicht überraschen, wenn er dir seine Hilfe bei der Suche nach Zerzura gar nicht anbieten würde, nur, um die Dinge zwischen euch wieder in Ordnung zu bringen.«
Wieder in Ordnung bringen. Jims Worte. Sie ließ zittrig die Luft zwischen den Lippen entweichen.
Auf einmal blieb ihr Urgroßvater stehen und musterte sie scharf. »Irgendetwas stimmt nicht mit dir.«
»Nein«, widersprach sie, »es ist alles gut.«
»Nein, da ist definitiv etwas im Busch. Genau so hast du schon als Kind geschaut, hinter dem Rücken deiner Mutter, wenn du dich ungerecht behandelt gefühlt hast. Also, raus damit.«
»Es ist nichts, ich brauche nur einfach nicht noch jemanden, der ›alles wieder in Ordnung bringen‹ will, das ist alles.«
Sir Roberts buschige weiße Brauen hoben sich. »Noch jemanden?«, hakte er nach.
»Ja«, bekräftigte sie energisch. »Ich bin kein Kind mehr. Ich bin kein Gepäckstück und ich bin auch kein Esel oder so. Haji hat nichts weiter getan, als die Papyri, die ich angezündet hatte, weiterbrennen zu lassen. Vermutlich wollte er, dass ich endgültig von den Ausgrabungsstätten verbannt werde. Ich glaube nicht, dass er vorhatte, mich gleich gänzlich aus Ägypten zu vertreiben.
Ich hätte ja auch zurückgehen und das Feuer selbst löschen können, aber ich hatte Angst davor, bestraft zuwerden. Und das war auch nicht ganz unbegründet, denn schließlich hat dieses kleine Experiment zur Folge gehabt, dass ich nach England verschifft wurde.«
»Oh, ich kann dir versichern, dass diese Entscheidung nicht nur auf diesen einen Zwischenfall gegründet war, mein Herz«, bemerkte ihr Urgroßvater mit geflissentlicher Ironie. »Ich glaube, die Liste war mehrere Seiten lang.«
Es hatte eine Zeit gegeben, und das war gar nicht mal so lange her, in der eine Erinnerung an ihre Verfehlungen sofort den panischen Drang in ihr geweckt hatte, jeden Vorfall einzeln zu erklären und zu entkräften. Doch jetzt kam ihr das nur noch wie eine enorme Energieverschwendung vor. In Wahrheit gefiel ihr, wer sie war. Sie verstand ihre Stärken und kannte ihre Schwächen und sie wollte sich nicht länger vor irgendjemandem dafür rechtfertigen, wie sie nun einmal war, auch vor sich selbst nicht.
Aus dem Kind von damals war eine Frau geworden. Als Kind war Ginesse neugierig, quirlig und widerspenstig gewesen. Die Frau, zu der sie sich entwickelt hatte, war noch immer neugierig und tendierte dazu, erst zu handeln und dann zu denken. Aber wie jeder, der sich gerne auf dünnem Eis bewegt, hatte sie auch gelernt, geistesgegenwärtig und einfallsreich zu sein, um zu überleben. Und sie hatte nicht nur überlebt, sie war aufgeblüht.
»Ich will damit nur sagen, dass ich Haji für nichts verantwortlich mache, und ich finde es maßlos arrogant, dass er sich anscheinend für den Drehund Angelpunkt meines Lebens hält. Ich habe mir meinen Weg selbstausgesucht, vielen Dank. Nur ich und niemand sonst ist dafür verantwortlich, was vor London, in London und seit London mit mir passiert ist. Es war meine Entscheidung, mich als Miss Whimpelhall auszugeben, nach Zerzura zu suchen, Mr Owens anzulügen und«, sie schluckte, »alles andere auch.«
»Jeder ist seines Glückes Schmied und so, was?«, fragte Sir Robert sanft.
»Ganz genau.«
»Und jede wahre Carlisle würde so empfinden«, bekräftigte er strahlend. Sir Robert bezog sich damit auf die ägyptische Sitte, Stammbäumen nach ihrer mütterlichen Linie zu folgen. Erst nachdem sie ein paar weitere Schritte zurückgelegt hatten, sprach er weiter.
»Arme Miss Whimpelhall, ich hoffe, sie hat mit ihrer Reise hierher nicht nur ihre Zeit verschwendet.«
»Wie kannst du das sagen, Urgroßvater? Du weißt doch, dass sie hier ist, um Pomfrey endlich zu heiraten.«
»Sie kommt mir aber nicht gerade wie eine Frau vor, die nach jahrelanger Trennung gerade wieder mit ihrem Liebsten vereint wurde. Ich glaube, sie hat einen warmherzigeren Empfang erwartet.«
»Nein«, sagte Ginesse langsam und ihr Mitgefühl für Miss Whimpelhall lenkte sie vorübergehend von ihren eigenen Sorgen ab. »Das hat sie nicht. An Bord der
Lydonia
habe ich sie einmal gefragt, ob Colonel Lord Pomfrey sie bei ihrem Wiedersehen wohl in die Arme nehmen und herumwirbeln würde, und die bloße Vorstellung hat sie entsetzt. Sie hat keinen Zweifel
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