Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
Armbeuge legte und sie auf einen Verdauungsspaziergang führte. So viele Männer seiner, und auch ihrer, Generation waren sauertöpfische Moralisten. Sir Robert dagegen sah stets alles von einer positiven Seite.
»Aber ich habe nie daran gezweifelt, dass du dein Ziel schließlich erreichst, auch wenn Magi meine Überzeugung da nicht ganz geteilt hat.« Magi setzte Sir Roberts Optimismus einen gesunden Pragmatismus entgegen, den sie sich zweifellos durch jahrelange Erfahrung mit Ginesse und ihrer Mutter erworben und der sie von einem allumfassenden Vertrauen in ein Happy End kuriert hatte.
»Es tut mir leid, dass sie sich meinetwegen Sorgen gemacht hat.« Die Sonne war bereits untergegangen und ein Dreiviertelmond hing am samtenen Himmel wie der Ohrring einer nubischen Göttin. Von den Baracken klangen Gesprächsfetzen und Geräusche gemütlicher Geschäftigkeit herüber und verbreiteten eine heimelige Atmosphäre. Der Duft von Zigarrenrauch wehte ihr vom Wachturm in die Nase und einen Moment lang fragte sie sich, ob es vielleicht Jim war, der da rauchte. Aber Jim rauchte nicht. Jedenfalls nicht, soweit sie wusste. Allerdings gab es da wohl vieles, das sie über James Owens Tynesborough nicht gewusst hatte.
»Sobald ich wieder in Kairo bin, werde ich ihr alles erklären und sie um Verzeihung bitten.«
»Oh, solange wirst du damit gar nicht warten müssen. Sie hat darauf bestanden, mitzukommen.«
»Wirklich?«, fragte Ginesse begeistert. »Wo ist sie?«
Ihr Urgroßvater machte ein säuerliches Gesicht. »Dieser Colonel hat sie und Haji von uns getrennt. Sie essen mit den arabischen Bediensteten zu Abend. Wenn ich nicht genau gewusst hätte, dass sie dort sehr viel besser behandelt werden, als an seinem Tisch, hätte ich natürlich protestiert.«
»Aber kann ich sie später noch sehen?«
»Vielleicht wartest du damit lieber noch bis morgen. Es war eine lange Reise.«
»Natürlich«, willigte Ginesse ein. »Aber gleich morgen früh gehe ich zu ihr.«
»Haji ist auch mitgekommen.«
»Haji?«, fragte Ginesse nach. Das war allerdings eine Überraschung, wenn auch keine angenehme. »Warum das denn?«
»Er hat darauf bestanden«, erklärte Sir Robert mit einer solchen Unschuldsmiene, dass Ginesse sich sofort sicher war, dass nicht Haji derjenige war, der darauf bestanden hatte. Das behielt sie allerdings für sich. Wenn Sir Robert Haji unbedingt in ein gutes Licht rücken wollte, würde sie ihm sicher nicht den Spaß verderben.
»Was ist los, Ginesse? Du hegst doch wohl nicht immer noch deine kindlichen Vorurteile gegen den Jungen, oder?«
Sie
hatte also Vorurteile gegen
ihn
? Nur unter Einsatz höchster Charakterstärke verbiss sie sich eine scharfe Entgegnung.
»Haji hat sich übrigens zu einem hervorragenden Gelehrten entwickelt«, fuhr Sir Robert fort. »Was nur umso bemerkenswerter ist, weil er sich beinahe alles selbst beigebracht hat. Er hat einige sehr gescheite Theorien darüber entwickelt, warum deine verlorene Stadt, na ja, verloren gegangen ist.«
»Hm.«
»Er könnte sich als wertvoller Kollege auf deiner Suche nach Zerzura erweisen«, schlug Sir Robert vor, als wärees ihm gerade erst eingefallen, was Ginesse ihm keine Sekunde lang abnahm.
»Zerzura«, murmelte sie und zum ersten Mal seit Tagen kam ihr die verlorene Stadt wieder in den Sinn und damit auch der Grund, warum sie überhaupt hier war. Gott sei Dank hatte sie immer noch Zerzura. Es war alles, was ihr noch geblieben war.
»Ja. Professor Tynesborough hat uns alles über deine Entdeckung berichtet und er hat auch erzählt, wie er der Spur deiner Nachforschungen in der Bibliothek gefolgt und wie ihm schließlich aufgegangen ist, was für eine großartige Entdeckung du da gemacht hast. Und er hat außerdem erklärt, wie schlecht er sich fühlt, weil er deine Nachforschungen abgetan hat, ohne dir richtig zuzuhören.«
»Nicht der Rede wert.«
»Du scheinst ganze Scharen von Männern zurückzulassen, die sich bei dir für ihr schlechtes Betragen entschuldigen müssen«, sagte er mit einem Augenzwinkern.
Der einzige Mann, dessen schlechtes Betragen sie interessierte, war James Owens. Sie musste aufhören, ständig an ihn zu denken und alles, was geschah, irgendwie in Beziehung zu ihm zu setzen. Er war nicht der Mittelpunkt ihres Lebens. Er gehörte ja nicht einmal mehr dazu.
»Stell dir mal vor, Ginny. Haji ist überzeugt davon, du könntest ihn nicht ausstehen, und er räumt ein, dass deine Antipathie vielleicht sogar gerechtfertigt
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