Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
inzwischen schon deutlich länger als nötig in der Luft hängend fest.
Er ließ sie auf den Esel fallen, als hätte er sich verbrannt. Eigentlich hatte er vorgehabt, sie zum Hotel zu begleiten, doch jetzt beschloss er, sich lieber erst mal von ihr fernzuhalten.
Sie war Pomfreys Verlobte, um Himmels Willen. »Ich werde heute Abend im Hotel sein. Um sieben.«
»Ich werde Sie erwarten«, entgegnete sie hochmütig und reckte das Kinn. Sie mochte vielleicht einen hinreißenden Körper haben, doch ihr Charakter entsprach anscheinend mehr ihrer unglaublich abschreckenden Haarfarbe.
Der Junge klopfte dem Esel auf die Kruppe und das Tier setzte sich in Bewegung. Mildred Whimpelhall saß mit der eigentümlichen Eleganz eines Kranichs auf seinem Rücken. Nach wenigen Schritten drehte sie sich noch einmal zu ihm um.
»Nur damit wir uns da richtig verstehen, Mr Owens«, rief sie. »Es war nicht meine Tugend, um die ich mir Sorgen gemacht habe, sondern meine Nase.«
»Wie bitte?«
»Sie, Mr Owens, riechen.« Und mit diesem Abschiedsgruß, verschwand Mildred Whimpelhall schwankend in der Menge.
K APITEL 5
Er bewegte sich zwar wie ein wildes Tier Panther, so leichtfüßig und anmutig, doch er sprach kultiviert wie ein schwedischer ungarischer Prinz.
aus dem Tagebuch von Ginesse Braxton
N a ja, er
hatte
gerochen, und zwar nicht gut, dachte Ginesse, während sie sich auf dem Rücken des Esels durch die gewundenen Straßen und schmalen Gassen Kairos schaukeln ließ. Zufrieden rief sie sich noch einmal seinen perplexen Gesichtsausdruck in Erinnerung, als sie ihren
Coup de Grâce
gelandet hatte, und sie weigerte sich, deswegen ein schlechtes Gewissen zu haben.
Wie konnte James Owens nur annehmen, sie hätte Angst davor, seine schmutzige – und ganz und gar ungewollte – Aufmerksamkeit zu erregen? Das war einfach erniedrigend. Sie würde
niemals
glauben, dass er ... dass sie die Sorte Frau war, die er ... Nein, so was! Sie war sich völlig im Klaren darüber, dass sie nicht zu den Frauen zählte, die in einem Mann animalische Leidenschaft weckten. Und sie
wollte
nicht, dass er annahm, sie würde sich diesbezüglich irgendwelchen Illusionen hingeben.
Sie konnte noch immer das Entsetzen – jawohl,
Entsetzen!
– in seiner Stimme hören, als er das arabischeÄquivalent zu »heilige Muttergottes« gemurmelt hatte. Das war zutiefst demütigend.
Und außerdem enttäuschend. Sie war mit ihrem ersten Eindruck von Mr Owens so zufrieden gewesen. Er sah aus wie das Musterbeispiel eines Cowboys, ein einsamer Wolf mit der Seele eines Poeten ... Sie runzelte die Stirn. Das klang irgendwie nicht gut. Sie würde sich eine bessere Metapher einfallen lassen müssen.
Aber der Ausdruck in seinen Augen hatte intelligent gewirkt, seine Manieren waren umsichtig und sein Auftreten beherrscht gewesen. Sie hatte sogar eine Spur von Humor in seinen hellgrauen Augen aufblitzen sehen, als sie Haji aufgezogen hatte.
Und auch deswegen würde sie kein schlechtes Gewissen haben. Als kleines Mädchen hatte sie unter Haji weit schlimmer gelitten. Er war ein Petzer gewesen und ein Tyrann, immer war er es gewesen, der sie bei irgendwelchen kleinen Verstößen erwischt und es dann überall herumgetratscht hatte. Sogar dieser gemeine Spitzname
Afrit
stammte von ihm. Es hatte gut getan, sich ein kleines bisschen dafür zu rächen.
Und Mr Owens hatte beinahe
gelacht
, dachte sie schmunzelnd. Ihr letztes Pfund würde sie darauf verwetten. Auf einer Seite hatte sich sein Mundwinkel gehoben und dann hatte er sich schnell abgewandt, um Haltung zu bewahren. Alle Cowboys sollten sowohl über Humor als auch über Haltung verfügen, beschloss sie.
Wenn
er denn überhaupt ein Cowboy war. In seiner tiefen, sanften Stimme hatte ein schwacher, aber deutlicherHauch von britischem Privatschulakzent mitgeschwungen. Sie seufzte. Vermutlich war er nur irgendein Beamter aus Liverpool und hatte noch nie im Leben einen Colt in der Hand gehabt. Das würde auch seinen geschmacklosen Kommentar erklären, dass ihre Tugend bei ihm so sicher sei, wie die seiner eigenen Schwester. Die Cowboys in den Büchern, die sie gelesen hatte, wären niemals so indiskret gewesen. Sie besaßen einen tief empfundenen Respekt vor der Weiblichkeit. Sogar die niederträchtigsten unter ihnen. Andererseits war es schwer vorstellbar, dass ein Engländer sie einfach auf einen Esel geworfen und dann alleine zum Hotel geschickt hätte. Vielleicht war er also
doch
Amerikaner.
Als sie im Hotel
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