Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
Reiter – nein, ein fantastischer Reiter –, aber das war nichts im Vergleich zu Jim Owens. Keine brutalen Stöße in die Flanken, kein barsches Geschrei oder Zügelschlagen, was immer Jim auch tat, er tat es lautlos und nicht wahrnehmbar. In einem Moment stand das Pferd noch völlig reglos und im nächsten jagten die beiden schon geräuschlos über den Sand, wie ein zum Leben erwachter Zentaur, bis sie aus dem Lichtkegel des Feuers verschwunden waren.
Er sah nicht zurück.
K APITEL 20
Sie stählte sich für das, was vor ihr lag, und betete, dass sie nicht gezwungen sein würde, das höchste Opfer darzubringen.
aus dem Tagebuch von Ginesse Braxton
»M ein Vater ist Harry Braxton.« Ginesse sprach arabisch und behielt sorgfältig einen respektvollen Ton bei, während sie dem Tuareg-Anführer durch das Lager folgte. »Er ist ein wichtiger Mann, ein stolzer Stammesfürst. Er wird euch reich belohnen, wenn ihr mich sicher nach Fort Gordon bringt.«
Juba ignorierte sie, wie er bereits seit vier Tagen all ihre Beteuerungen und Bitten ignorierte.
»Bitte, es ist wichtig«, sagte sie eindringlich.
Er wandte sich um und tat überrascht, sie noch immer hinter sich zu sehen. Sie blieb stehen und hob ihm in einer flehenden Geste die Handflächen entgegen. »Bitte, mein Vater ...«
»Hat dich verkauft«, unterbrach sie Juba. »Genug. Du bist eine Sklavin und nicht mein Weib. Mir bluten schon die Ohren von all dem Flehen und den Lügen.«
So berühmt ihr Vater auch sein mochte, sein Ruf war scheinbar noch nicht bis nach Libyen vorgedrungen. Jeden Tag setzte Juba sie auf ein Kamel in der Mitte derKarawane und jede Nacht verschwand er in seinem luxuriösen Zelt, während sie sich gegen die Kälte an eines der Kamele kuschelte. Er erklärte die Wüste zu ihrer Wächterin und die machte ihre Sache gut.
Wohin sollte sie schon gehen? Sie würde nicht weit kommen, bevor sie sich den Elementen geschlagen geben müsste. Und selbst wenn es ihr gelang, eines der Kamele zu stehlen, würden die Tuareg sie letztendlich einholen und zurückbringen.
Aber heute war etwas anders. Sie hatten die Dünen hinter sich gelassen und reisten nun durch ein steinigeres Gebiet. Es war eine Landschaft aus Sand und Geröll, unterbrochen von niedrigen Plateaus und seichten
Wadis
, die von Hainen aus kleinen, zähen Akazien gesäumt wurden. Juba ließ früh anhalten und schlug sein Zelt an der Mündung einer schmalen Felsspalte im Boden auf.
Die Männer tauschten misstrauische Blicke, machten sich jedoch trotzdem daran, das Lager zu errichten, ein Feuer zu entfachen und die Kamele zu entladen und zu hobbeln. Ginesse spürte Jubas Blick mehr als einmal auf sich ruhen. Die rauen Bedingungen, ihre endgültige Bestimmung als Geschenk für einen mächtigen Anführer und ihre Jungfräulichkeit hatten bisher dafür gesorgt, dass sie sicher und wohlgenährt geblieben war, doch sie fürchtete, damit würde es nun bald vorbei sein.
In der ersten Nacht war sie überzeugt gewesen, dass Jim zurückkommen, sich ins Lager schleichen und sie den Tuareg unter der Nase wegstehlen würde. Doch er war nicht gekommen.
Und das war gut so, denn auch die Tuareg hatten ihn erwartet. Sie hatten auf der Lauer gelegen, die Gewehre auf den Knien, die Augen wachsam auf die noch so schwächste Bewegung draußen in der Wüste geeicht.
Auch in der nächsten und in der übernächsten Nacht hatte sie wachgelegen und angestrengt nach einem Geräusch gelauscht, das Jims heimliches Näherkommen ankündigte. Doch er war auch in diesen Nächten nicht erschienen.
Sie hatte Angst. Und wenn sie sich gestatten würde, über ihre Situation nachzudenken, würde sich ihre Angst in Panik verwandeln. Jedes Mal, wenn Juba sie ansah, zitterte sie. Jedes Mal, wenn sie sich vorstellte, dass er so auf ihr lag, wie Jim es getan hatte, rebellierte ihr Magen und sie musste sich die Faust gegen die Lippen pressen, um nicht zu würgen.
Allmählich wurde die Zeit knapp. Sie hätte ihm aus dem Weg gehen und sich so unauffällig wie möglich verhalten sollen. Jetzt betrachtete er sie nachdenklich, wobei er sich mit dem abgebrochenen Nagel seines Daumens über die Wange fuhr. Sie konnte förmlich sehen, wie er seine Möglichkeiten durchging. Nur Jims Wort bezeugte ihre Jungfräulichkeit und wenn sich später herausstellte, dass sie doch keine Jungfrau war, nun, dann könnte Juba immer noch behaupten, er sei von dem Sklavenhändler, von dem er sie gekauft hatte, betrogen worden. Natürlich wäre das
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