Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
Er ist der Erste unter den Hengsten.« Der Targi winkte ihn heran. »Fühl selbst. Fühle, wie kräftig er ist, wie gut bemuskelt.«
Achselzuckend ging Jim zu dem Pferd hinüber. Die Nüstern des Hengstes bebten, während er sich näherte. Als der Hengst Jims fremdartige Witterung aufnahm, wich er zurück und scharrte den Sand auf, seine Ohren zuckten vor und zurück, um das leiseste Geräusch einzufangen.
Er war wahrlich prächtig. Seine Oberlinie war gleichmäßig und sein Rücken kurz und breit. Wie Juba bereits betont hatte, war sein Hals lang und elegant geschwungen und wies den freien Kehlgang auf, der die besten Pferde der arabischen Zucht auszeichnete. Die Mustangs, die er als Junge geritten hatte, waren stämmig und sehr kompakt, doch dieses Tier wies, obwohl es nicht viel größer war, die langen und geschmeidigeren Muskeln und kleineren Hufe eines Pferdes auf, das geschaffen dafür war, weite Strecken zu zurückzulegen.
Jim streckte die Hand aus und der Hengst reckte den Hals, die großen, glänzenden Augen fest auf Jim gerichtet. Er schnupperte vorsichtig und sein warmer, feuchter Atem berührte Jims Knöchel. Dann zog er den Kopf wieder zurück und wartete. Langsam strich Jim dem Tier über die Kruppe und den Widerrist und dann die Beine hinab. Der Hengst stand entspannt da und drehte ab und zu ein Ohr in Jims Richtung.
»Siehst du? Ist es nicht so?«
»Es ist ein gutes Pferd«, stimmte Jim vorsichtig zu.
»Gut? Es gibt in ganz Ägypten kein Tier wie ihn. Er ist ein Pferd für einen
Amenokal
.«
»Hm.«
Juba sah ihn finster an, wandte sich abrupt ab und begann, vor Jim auf und ab zu schreiten, bis er schließlich direkt vor ihm stehen blieb. Sein blau geflecktes Gesicht teilte sich zu einem breiten Grinsen, das sehr weiße, sehr kaputte Zähne offenbarte. »Ich mag dich. Du bist ein Sohn der Wüste, wie ich. Du weißt, wie man ein Pferd berührt, du kennst dich aus. Zwar nicht so gut wie ein Tuareg«, wandte er mit entschuldigend gehobener Schulter ein, »aber zumindest so gut wie ein Beduine.«
Jim sagte noch immer nichts und wartete, was als nächstes kommen würde. Er konnte es sich vorstellen.
»Und weil ich dich mag, werde ich dir wohl einen Handel anbieten. Dabei wird nicht gefeilscht«, erklärte er und an dem tödlichen Glimmen in seinen sonst eher freundlichen Augen erkannte Jim, dass er das besser glauben sollte. Er nahm die Warnung zur Kenntnis. »Es ist eigentlich gar kein gerechter Handel. Es ist eher ein Geschenk.«
»Ja?«
»Ich werde diesen Prinz der Wüste, diesen Bruder des Windes gegen dein Kamel eintauschen.«
Jim wartete.
»Ja? Ich sehe schon. Ich verstehe. Du bist sprachlos, du kannst dein Glück kaum fassen. Genau wie ich an deiner Stelle. Also. Gilt der Handel?«
»Den Hengst gegen dieses einäugige Kamel?«, fragte Jim. »Das ist alles? Das ist der Handel?«
»Ja!« Juba lachte und vollführte eine überschwängliche Geste. »Ich bin selbst überrascht von mir.« Er drehtesich um und griff nach der Führleine des Hengstes. Dann hielt er abrupt inne und wandte sich wieder um, ganz so, als sei ihm gerade noch etwas eingefallen – etwas so Unwichtiges, dass es ihn beschämte, es überhaupt zu erwähnen. »Oh. Und gegen die Frau.«
Jim hörte einen erstickten Laut von Mildred, doch er sah sie nicht an.
»Sind wir uns einig?«, fragte Juba.
»Darauf kannst du wetten«, sagte Jim.
Ginesse sah zu, wie Jim sich seine Tasche, in der jetzt allerdings seine Pistole fehlte, über die Schulter band und einen Schluck aus der Feldflasche nahm, die Juba ihm anbot. Behände schwang er sich auf den bloßen Rücken des Hengstes, ein Sattel war nicht teil der Abmachung gewesen. Er sah zu Juba hinab. »Das Mädchen ist eine Jungfrau. Das wird euer Führer sicher zu schätzen wissen«, sagte er in lautem, aber gleichgültigem Ton.
Ginesse dankte ihm stumm dafür. Mit diesen Worten hatte er ihre Jungfräulichkeit zu einem Bestandteil des Geschenks gemacht, das die Tuareg ihrem Anführer, dem
Amenokal
, überbringen wollten. Juba würde es sich jetzt, wo seine Männer von ihrem gesteigerten Wert wussten, zweimal überlegen, bevor er sie vergewaltigte. Hoffte sie jedenfalls.
Sie starrte Jim an, beschwor ihn stumm, sich umzudrehen, sie anzusehen und ihr irgendwie zu verstehen zu geben, dass alles gut werden würde. Sogar in ihrem vor Angst und Schock gelähmten Zustand konnte Ginesse nicht anders, als seinen Umgang mit dem Pferd zu bewundern. Ihr Vater war auch ein guter
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