Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
jung, dass mir seinerzeit in der Kirche, als ich dies Kleid zum ersten Mal getragen habe, ihre Wort entgangen wären. Sie sagte, bevor sie mich Janyn heiraten ließe, würde sie mich lieber erwürgen. Woher rührt die Feindseligkeit zwischen den beiden?«
Für einen Moment wirkte er verblüfft, dann wütend. »Das hast du gehört?«
»Ja, das habe ich. Sie sprach so, dass ich es hören sollte. Warum nur droht sie solche Gewalt an, Vater?«
»Darüber hast du nie gesprochen.«
»Ihr auch nicht, Vater.« Ich erwiderte seinen Blick, beschwor ihn wortlos, sein Schweigen zu erklären, sich zu entschuldigen, mich zu beruhigen.
»Deine Mutter sagt vieles, was sie nicht so meint, Alice.«
»Was hat sie gegen Janyn einzuwenden? Ich habe ein Recht, es zu erfahren, Vater.«
Er öffnete seinen Mund und schien etwas sagen zu wollen, dann schloss er ihn wieder und senkte wie aus Scham oder Verwirrung kopfschüttelnd seinen Blick. »Du weißt ja, dass er verwitwet ist. Sie mochte seine Frau nicht. Das ist alles.«
Ich glaubte ihm nicht. »Vater, sagt mir, was Mutter an Janyn missfällt.«
»Ihr missfällt gar nichts an ihm. Ich schwöre dir, Tochter. Und das ist alles, was ich über diesen Gegenstand zu sagen vermag.«
»Warum drängt Ihr trotzdem auf unsere Verbindung?«
»Ich werde nicht zulassen, dass deine Mutter deinem Glück im Weg steht.«
»Er ist doch nicht der einzige standesgemäße Heiratskandidat in London. Zwar gefällt er mir besser als jeder andere, aber glücklich könnte ich auch mit einem anderen sein.« In
Wahrheit glaubte ich das nicht, aber Vaters Verhalten ängstigte mich. »Mit einem, der nicht dafür sorgt, dass sich meine eigene Mutter gegen mich wendet.« Nicht dass ich jemals in ihrer Gunst gestanden hätte. Doch die Vorstellung, von ihr gehasst zu werden, schien mir plötzlich zu bedrohlich, zu unabänderlich. »Ich bitte Euch inständig, Vater.«
Jetzt sah er mir mit einer zornigen Erregtheit in die Augen, wie ich sie nur selten an ihm erlebt habe. »Ich werde mich nicht ihrem Willen beugen«, knurrte er. »Du hast Janyn Perrers dein Treuegelöbnis gegeben, bist einen verpflichtenden Vertrag eingegangen, und du wirst ihn auch heiraten. Ich dulde keinen weiteren Widerspruch.«
So hatte Vater noch nie mit mir gesprochen. Ich fühlte mich wie vor den Kopf geschlagen. Hatte mich bereits das stürmische Gefühlsbad beim Besuch von Janyn und dessen Vater erschöpft, raubte mir dies nun noch den letzten Funken Tatkraft.
»Eine derartige Täuschung … Es ängstigt mich, Vater. Warum seid Ihr so versessen darauf, dass ich Janyn Perrers heirate? «
»Versessen?« Er schüttelte den Kopf. »Da irrst du dich in deinem Urteil über mich, Alice. Janyn wird dir ein guter Mann sein. Er ist ein freundlicher, einfühlsamer Mann, genau wie sein Vater. Du wirst mir noch dafür danken, dass ich auf dieser Verbindung bestanden habe.«
Er umarmte mich nicht, erkundigte sich auch nicht, ob er meine Sorgen hatte zerstreuen können, sondern wies mich nur in knappen Worten an, Stillschweigen über dieses Treffen zu bewahren, bis er Mutter von meiner Verlobung erzählt hatte.
Als ich aus dem Keller stieg, stellte ich überrascht fest, wie heiß sich nach dem kühlen, düsteren Gewölbe draußen der Nachmittag anfühlte. Ich nahm Mary auf einen langen
Spaziergang mit. Ihrem fröhlichen Schwatzen zu lauschen, war eine wohltuende Erholung.
In dieser Nacht schlief ich wenig. Noch Stunden lag ich wach, da ich plötzlich begriffen hatte, wie viel mir meine Geschwister und Nan doch bedeuteten und wie sehr ich sie vermissen würde. Zugleich erregte mich bereits der Gedanke an Janyn, an unseren Kuss. Als ich endlich einschlief, weckten meine Träume ein sehnsüchtiges Verlangen nach ihm in mir, das ich nicht zu begreifen vermochte.
Einige Tage später erhielt ich die Einladung für ein Abendessen im Haus von Martin und Tommasa Perrers. Die Geheimhaltung, die mein Verlöbnis umgab, war derart lückenlos, bisweilen fürchtete ich bereits, die Zusammenkunft im Gewölbekeller lediglich geträumt zu haben. Vater schien vor Erleichterung darüber, dass nur wir beide uns beim Eintreffen des Boten in der Halle aufhielten, fast einer Ohnmacht nahe. Er versicherte mir, Mutter demnächst von meinem Verlöbnis erzählen zu wollen. Ich hatte Angst vor diesem Moment, wünschte mir andererseits jedoch, ihn endlich hinter mir zu wissen.
Am nächsten Tag beschenkte Vater Mutter mit einem Umhang so himmelblau wie ihre Augen,
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