Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
wunderschön und habe meine Bedenken ganz einfach ignoriert.«
Master Martin fuhr mit seinen beringten Fingern über den Stoff, hob ihn dann an und prüfte sein Gewicht. Als er ihn wieder ablegte, meinte er: »Er ist wirklich sehr schön, John. Meine Frau würde mir raten, ihn zu kaufen.«
Janyn lachte auf. »Ja, das würde sie.«
Vater schüttelte den Kopf. »Wo sollte sie einen solchen Stoff tragen, ohne gleich von allen getadelt zu werden?«
»Hier in London würde sie so etwas nur zu Hause tragen«, sagte Master Martin mit leichtem Achselzucken und klopfte mit einem Finger behutsam auf den Ballen. »In der Lombardei aber könnte sie ein Kleid aus solchem Tuch auch zu Markttagen oder Festen tragen. Oder sie könnte einen Umhang damit füttern.«
Ich hob eine Ecke der Tuchbahn und rieb sie sanft zwischen den Fingern. Der Stoff war seidenweich und von eindrucksvoller Schwere. Ich konnte ihn mir als Surcot über einem dunklen oder vielleicht goldenen Kleid vorstellen. »Dann dürfte Dame Tommasa ihr Heimatland sicherlich sehr vermissen«, sagte ich. »Ich würde gerne einmal eine Stadt kennenlernen, wo ein solch herrlicher Stoff zum Marktbesuch getragen werden kann.«
Master Martin grinste breit. »Vielleicht werdet Ihr eine solche Stadt ja eines Tages kennenlernen, Mistress Alice. Was meint Ihr? Soll ich genug kaufen, um einen Umhang zu füttern, oder genug für ein Kleid?«
»Oder für einen Surcot«, sagte ich und kam mir sehr kühn vor, meine eigenen Vorstellungen zu offenbaren.
»Aha.« Er nickte. »Und welche Farbe darunter?«
Ich zögerte und sah Vater um Erlaubnis suchend an. Er nickte ermutigend, ja, er schien sogar richtig zufrieden mit mir.
»Ein kräftiges, tiefes Gold?«, schlug ich vor. »Oder ein noch dunklerer Farbton.«
»Ihr besitzt Talent für diese Sache«, sagte Master Martin. »Das ist gut. Sehr gut.« Ich war froh über die gründliche Unterweisung, die Vater mir in Fragen des Tuchhandels gegeben hatte.
Master Martin sah zu seinem Sohn hinüber, der mich mit der ihm eigenen Eindringlichkeit beobachtete.
»Welchen dieser beiden würdet Ihr denn für meine Mutter
wählen?«, fragte er mich. Er hielt zwei goldene Stoffe hoch, der eine erheblich dunkler als der andere, fast schon ein Braunton, allerdings mit einem eindeutigen Anflug von Gold, einer Verheißung von Licht.
Auf diesen deutete ich. Master Janyn wandte sich an seinen Vater. »Mistress Alice hat mich dazu angeregt, nach ihren Vorstellungen Mutter ein Geschenk zu machen. Über die Maße wollen wir später reden.«
»Vielleicht wird es Zeit, dass wir uns zusammensetzen und über den eigentlichen Anlass Eures Besuchs sprechen«, sagte Vater. »Alice«, er nahm meinen Arm, »komm und setz dich neben mich.« Er zog leicht an meinem Arm, und endlich wandte ich den Blick von Master Janyn.
Mein Herz raste, als wir uns niedersetzten, und ich spürte ein völlig neues Prickeln auf meiner Haut, so als würde mein Körper aus einem tiefen Schlaf erwachen. Wenn das Liebe war, hatte ich Geoffrey nie geliebt.
»Alice, Master Janyn Perrers ist mit dem Wunsch an mich herangetreten, dich zu seiner Frau zu nehmen«, begann Vater, obwohl es mir eher vorkam, als wäre dies das Ende seiner Erklärung.
Hier war er also, der Augenblick, von dem ich geträumt hatte. Aber nun, da er da war, hatte ich Angst. Ich war nicht bereit. Warum war Mutter nicht hier? Ich wagte nicht danach zu fragen, doch die Frage brannte mir auf der Seele.
»Er ist ein ehrenwerter Mann, für den nur Gutes spricht, dennoch erfährt keine Ehe den Segen der Kirche, solange nicht sowohl der Mann als auch die Frau ihr Einverständnis erklärt haben. Was sagst du dazu, Alice? Möchtest du die Frau dieses Mannes werden?«
Ich fühlte mich schlecht vorbereitet. Sie hatten zwar viel Wert darauf gelegt, mir einen guten Ehemann zu suchen, aber davon, worin die Ehe eigentlich bestand, hatten sie nur
wenig gesprochen, und nun schwirrte mir der Kopf sowohl von meinen weiterhin unbeantworteten als auch von den soeben frisch erwachsenen Fragen. Dürfte ich mir ein wenig Zeit ausbitten, um darüber nachzudenken, Vater? Wenn ich jemanden so liebe, wie ich ihn zu lieben glaube, kann mir das dann die Seele rauben? Hat er gesagt, dass er mich liebt? Was geschieht zwischen einem Mann und einer Frau?
»Tochter, du schuldest mir noch eine Antwort.« Ein Hauch Verärgerung schwang in Vaters Stimme mit, wenngleich er sich ein Lächeln abrang und meine Hand tätschelte. »War dir denn nicht
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