Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
die Schönheit ein, durch die ich wandeln durfte. Besonders gern schlenderte ich dort mit Katherine und der kleinen Philippa, die alle Pippa riefen, lehrte sie die Namen der einzelnen Pflanzen und versuchte von ihnen zu erfahren, wie der Garten in ihrem Haus in der Grafschaft Hennegau ausgesehen hatte. Sie konnten sich nur an wenig erinnern, da sie bereits in so jungen Jahren nach England gebracht worden waren, aber einige Bruchstücke fielen ihnen dann doch ein, worüber sie sich aufrichtig zu freuen schienen. Die Königin würdigte meine wiedererwachte Lebensfreude, indem sie bemerkte, wie sehr ich den Kreis ihrer täglichen Beraterinnen derzeit belebe.
Auch Geoffrey blieb meine bessere Laune nicht verborgen, und er verdächtigte mich, in William verliebt zu sein. Ich lachte so heftig, als ich es abstritt, dass er selbstzufrieden daraus folgerte, er müsse Recht haben. Ich weigerte mich,
dem Erwachen meines Herzens mit Sorgen oder Schuldgefühlen zu begegnen.
Unter die grässlichen Meldungen von weiteren Pesttoten mischte sich im August das aufregende Gerücht, Prince Edward habe heimlich seine Cousine Countess Joan, die Witwe von Thomas Holland, geheiratet. Da ich in solch enger Verbindung mit der Königin stand, erkannte ich sofort, dass es wahr sein musste, denn ihren Zorn konnte die Queen vor keiner von uns verbergen. Sie kochte förmlich vor Wut.
›Diese Dirne‹ war von nun an der Name, den Joan, der sie früher so herzlich zugetan gewesen war, in Philippas Kammer trug. Offenbar verschlimmerte die Tatsache, dass sie am Hofe aufgewachsen war, Joans Vergehen noch, da sie es ›besser hätte wissen sollen‹. Vertreter des Königs hatten das ganze Jahr über bereits Verhandlungen geführt, um ein Ehebündnis zwischen dem Prinzen und Margarete von Flandern zu schließen, der jungen, wohlhabenden und hübschen Alleinerbin des Grafen von Flandern und dessen Frau. Diese Heirat hätte die Flamen in einem für eine solche Verbindung höchst wichtigen Moment an die Engländer gebunden. Doch schon bald wurde uns mitgeteilt, ein Abgesandter sei zum Papst geschickt geworden, um das heimlich abgelegte Ehegelöbnis zwischen Joan und Edward annullieren zu lassen und die für eine formelle Heirat zwischen den beiden Cousins nötige Dispens zu erwirken. Da die Sache nun einmal geschehen war, wollte der König sie so schnell wie möglich offiziell machen. Die Rede war bereits von einer Hochzeit im Herbst.
»So eine Verschwendung. All die erforderlichen Geldgeschenke für den Papst! Die Feiern! Und sie trägt uns keinerlei Verbindung zu einem anderen Herrscherhaus ein«, knurrte die Königin. »Diese Dirne.«
Da mir Joan so wohlgesonnen begegnet war, stand ich hier zwischen den Linien. Mich verwirrte allerdings, dass sie mir gegenüber mit solchem Zorn über die Männer hatte sprechen können, während sie zur gleichen Zeit der Liebe zu Prince Edward verfiel. Daher verfolgte ich jetzt aufmerksam ihr Verhalten und versuchte herauszufinden, wie sie einen Mann zu lieben und zugleich ihre Selbstachtung zu bewahren vermochte.
Ich hoffte inständig, im richtigen Moment zu wissen, wann ich wie Joan sein sollte und wann duldsam. Bislang war ich in meinem Leben wohl eher Letzteres gewesen – oh ja, ich hatte Janyn, Geoffrey und ein paar anderen mir sehr nahestehenden Menschen meine Wut offenbart, dennoch hatte ich mich gefügt. Stets hatte ich mich gefügt. Und nur Kummer und Leid daraus erfahren. Andererseits musste es glücklicherweise etwas an mir geben, das anderen gefiel und anziehend auf sie wirkte, denn in vielerlei Hinsicht hatte ich wahrlich keinen Grund zur Klage. So fühlte ich in letzter Zeit stärkeres Wohlwollen vonseiten der Hofdamen, auf meinen alten Freund Geoffrey war Verlass, Richard Lyons zeigte sich als umsichtiger Hüter meines Vermögens, und Dom Hanneye sandte mir häufig Briefe voll gut gemeinter Ratschläge und Fürbitten.
Ich glaube nicht, dass ich den Mut gehabt hätte, zu tun, was ich nun tat, hätten Joans hitzige Worte nicht ein Feuer in mir neu entfacht.
An einem gewittrigen Augustnachmittag meldete mir ein Page, dass Geoffrey mich unter dem Portal der Kapelle zu sprechen wünsche. Als ich mich von den Frauen verabschiedete, mit denen ich bei Näharbeiten gesessen hatte, erbat ich vom Himmel die nötige Kraft zu ertragen, was mein Freund mir zu sagen gekommen war. Allein die Wahl eines
Treffpunkts, an dem wir nicht belauscht werden konnten – bei diesem Gewitter würde vor der Kapelle
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