Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
mich von meinem Selbstmitleid abzulenken. »Der König erwartet von uns, dass wir so tun, als bestünde keine Gefahr, aber die Königin verbietet ihrem eigenen Hofstaat, die Stadt zu betreten?« William war richtig laut geworden.
Ich hatte bereits von seinem berühmten Temperament gehört, aber hier erlebte ich es zum ersten Mal selbst. Ich wollte jedoch keine Aufmerksamkeit auf mich lenken. »Können wir vielleicht etwas an die Luft gehen? Mir schmerzt der Kopf.«
Wir traten in den Burghof hinaus, wo die feuchte Hitze zusammen mit dem Qualm der vielen Fackeln meinen Kopf nur noch mehr dröhnen ließ. Ich lenkte uns zwischen lustwandelnden Pärchen hindurch und vorbei an Gruppen von Männern, die bei Spielen hockten oder einander trunken beschimpften, sowie an den in regelmäßigen Abständen postierten Wachen, bis wir zu einem Pfad kamen, der in eine ummauerte Gartenanlage führte. Die Fackeln im Burghof und die hell erleuchteten Fenster des großen Saals spendeten
mir genügend Licht, um mich zurechtzufinden. William hielt eine Hand unter meinen Ellbogen und stützte mich, wenn ich stolperte.
In dem kleinen Park wählte ich eine Bank in der Nähe des Eingangs, so fern wie möglich von einem Pärchen, das eng umschlungen ein Stück weiter saß. Hier, abseits von Saal und Burghof, war die Luft wesentlich frischer, und das Atmen fiel mir leichter.
»Wann habt Ihr von Eurem Verlust erfahren?«, fragte William, ergriff meine Hand und streichelte sie zärtlich.
»Erst heute, nach dem Mittagsmahl«, sagte ich. »Queen Philippa ist mir überaus wohlgesinnt. Doch sie fürchtet die Pest, und das mit gutem Grund.«
William musterte mich eine ganze Weile, während ich stumm meiner Trauer nachhing. Die feuchte Luft war weniger erquickend, als ich gehofft hatte, und ich befürchtete plötzlich, mein Kleid könne Nässe von der Bank aufnehmen. Als ich aufstand, um hinter mich zu fühlen, packte William überraschend meine Hand und zog mich in seine Arme. Einen Moment lang hielt er mich einfach nur. Gerne hätte ich mich dem Trost seiner starken Arme, dem beruhigenden Pochen seines Herzens hingegeben. Er beugte sich herab, um mich auf die Stirn zu küssen. Ich entzog mich seiner Umarmung.
»Ich habe nicht um Mitleid gebeten«, sagte ich und schüttelte den Rock meines Kleids aus.
Er hob abwehrend die Hände. »Ich bitte Euch um Verzeihung, sollte ich zu weit gegangen sein, Mistress Alice. Aber Euer Leid erschüttert mich einfach. Ich liebe Euch. Meine Empfindungen können Euch gewiss nicht entgangen sein. Und da ich Euch liebe, bedrückt mich auch Eure Trauer.«
»Liebe? Von Liebe hatten wir nicht gesprochen.« Ich wich zurück. Mein Verstand war derart gelähmt vor Kummer,
dass ich mir selbst und meiner eigenen Urteilsfähigkeit derzeit nicht trauen konnte, aber ungeachtet seines Charmes verstörte mich diese Liebesbezeugung. Sie kam viel zu früh.
»Verzeiht. Es lag nicht in meiner Absicht, Eure Notlage auszunutzen.« Er trat einige Schritte zurück, bevor er sich mit entschlossener Haltung wieder an mich wandte. »Ihr müsst Eure Familie in London sehen.«
Wenn es doch nur so einfach wäre und ich nur wissen musste, was ich zu tun hatte, und mich dann selbst darum kümmern konnte. »Die Königin wird es nicht gestatten.«
»Ich werde Euch hinbringen.«
Mein Herz tat einen Sprung, aber schon bald meldete sich der Verstand zurück. »Ich kann nicht zulassen, dass Ihr Euch um meinetwillen den Zorn der Königin zuzieht.«
»Es ist, wonach es Euch verlangt, und ich biete es Euch an. Ich bin ein Gefolgsmann des John of Gaunt. Solltet Ihr meine ehrenhaften Absichten in Zweifel ziehen, wird er für mich bürgen.«
Er gehörte dem Ritterstand an. Womöglich würde die Königin mir verzeihen können, wenn ich in Begleitung eines Mannes reiste, der meinen Schutz gewährleistete. Die Countess Joan schien mir ins Ohr zu flüstern: Nimm sein Angebot an. Ich tat es und fragte trotz meiner Zweifel an seiner Lauterkeit nicht danach, was William sich durch dieses Wagnis zu gewinnen versprach.
Früh am nächsten Morgen schlüpften wir aus der Burg. Gwen und Williams Diener Alan begleiteten uns. Ein Knecht hielt drei Pferde für uns bereit – William war sich nicht sicher gewesen, ob Gwen reiten konnte, und so musste sie hinter Alan aufsteigen –, und dann machten wir uns auf den Weg flussabwärts zu der Barke, die dort auf uns wartete. Ich war beeindruckt, in welch kurzer Zeit Williams diese Reise
organisiert hatte. Gwens
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