Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
Miene konnte ich ansehen, wie sehr es sie berührte, dass er dies alles für mich riskierte und so aufmerksam für unser Wohlbefinden vorgesorgt hatte. Ich selbst war froh, dass er mich mit meinen bangen Grübeleien allein ließ, während wir flussabwärts fuhren.
Wie seltsam es war, nach so langer Zeit in mein Elternhaus zurückzukehren. Ich weiß noch, dass es mir zugleich herrlich vertraut und bestürzend verändert erschien. Natürlich war eigentlich ich es, die sich verändert hatte. Nachdem ich seit einigen Jahren in prunkvollen Fürstenhäusern lebte, wirkte der Hof plötzlich eng, die Halle düster und schäbig. Aber mir war das alles noch immer höchst kostbar.
Nan brach bei meinem Anblick in Tränen aus, und meiner Schwester Mary, inzwischen eine hübsche junge Frau, erging es ebenso. Ich lachte und weinte gleichzeitig, während ich sie beide eng umschlungen hielt. Vater stand gramgebeugt etwas abseits und starrte stumpfsinnig vor sich hin. Ich ging zu ihm und umarmte auch ihn, aber er klopfte mir nur einmal leicht auf den Rücken, als würde er mein Kommen und die Anstrengungen, die ich auf mich genommen hatte, damit bestätigen, hätte aber leider nichts, was er mir im Gegenzug bieten könne.
»Margery schaffte es nicht länger, sie hat nicht mehr auf mich gewartet. Deine Mutter hat nicht auf mich gewartet.«
Als ich ihn so gebrochen vor mir sah, konnte ich ihm nicht länger böse sein, dass er meine Verbindung zu Janyn erzwungen hatte, obwohl er um Mutters Ablehnung wusste. Ich erkannte in ihm den schwachen Menschen, der er immer gewesen war.
»Es tut mir leid, dass ich nicht hier sein konnte, um während ihrer Krankheiten zu helfen, Vater.«
»Sie hätte dich nicht im Haus haben wollen, Alice. Ich wollte nach dir schicken, aber sie wollte dich nicht haben.«
Mary legte ihren Arm um mich und führte mich fort. »Er meint das nicht verletzend«, flüsterte sie. »Seit Mutters Tod verwechselt er uns oft.«
»Wie geht es John?«
»Gut. Erinnerst du dich noch, dass er einen gutherzigen Lehrherrn mit einer großen Familie hat? Ich glaube, er wird eine der Töchter seines Herrn heiraten, wenn seine Lehrzeit um ist. Sie heißt Agnes, wie Großmutter, und ist eine fröhliche Frau, die dafür sorgen wird, dass es ihm an nichts fehlt.« Ihre Augen leuchteten voller Zuneigung.
Wie glücklich ich war, mit meiner Schwester zusammen zu sein. In ihrer liebenswerten Gesellschaft wurde es mir gleich ein wenig leichter ums Herz.
»Wie ist es dir seit Janyns Tod ergangen?«, fragte sie. »Ich wäre damals so gerne zu dir gekommen, um dich zu trösten. «
»Gott segne dich, Mary.« Ich sprach leise, da ich nicht wollte, dass William Zeuge solch persönlicher Bekenntnisse wurde. Gwen war mit Alan in der Küche verschwunden, doch William war bei uns in der Halle geblieben. Er blickte durch die zum Teil offen stehenden Türen in den Garten hinaus, der selbst im Regen noch hübsch aussah. »Mir erging es, wie es wohl allen trauernden Witwen ergeht. Am schlimmsten waren die Morgen, wenn ich erwachte und mir nach und nach einfiel, warum ich mit anderen Frauen im Bett lag. Janyn und ich waren nur vier Jahre zusammen, dennoch kam es mir vor, als hätten wir uns immer schon ein Bett geteilt. Ich weiß auch nicht, wie mein Herz arbeitet. Es hat sein eigenes Zeitgefühl.«
Mary drückte meine Hand. »Er ist stattlich, dein Freund«, sagte sie mit einem Blick auf William.
»Das ist nicht Janyn«, erklärte mein Vater plötzlich. Offenbar hatte er Mary beobachtet.
»Nein, Vater, Janyn ist nicht länger unter uns. Dies ist mein Freund, Sir William Wyndsor. Ihm verdanke ich es, dass ich heute hier sein kann. Er hat eine Barke besorgt und mich hierher begleitet.«
»Wer hat dir von Mutters Tod erzählt?«, fragte er, ohne William zu beachten.
»Geoffrey erzählte mir gestern von Mutter und Will.«
In seinem stark angegriffenen Zustand hielt ich Vater nicht für geeignet, sich um die Erziehung von Mary zu kümmern. Außerdem konnte ich mir auch nicht vorstellen, wie sie es aushalten sollte, weiter in dieser Trauerstätte zu wohnen, in einem Haus, das so von Schrecken erfüllt war. Während ich mir noch überlegte, wie ich sie retten konnte, nahm ich Mary beiseite und fragte sie, ob sie ihre Großmutter mochte. Als sie antwortete, dass sie Dame Agnes sehr gerne habe, stand mein Entschluss fest. Ich würde sie und Nan zu Dame Agnes bringen und diese bitten, sie bei sich aufzunehmen.
Und so legten wir alle sechs ohne
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