Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
eigenem etwaigen Ableben.
Trotz ihrer nachlassenden Kräfte bestand die Königin darauf, an sämtlichen Feierlichkeiten des Hosenbandordens, die an den Tagen um das Georgsfest abgehalten wurden, teilzunehmen, selbst an solchen, die ihr abverlangten, eine gewisse Strecke auf unebenem Boden zurückzulegen, lange
zu stehen oder einen großen Teil des Tages und bis weit in den Abend auf unbequemen Bänken sitzen zu müssen. Ihr Gesicht war bleich wie Alabaster, wenn wir sie abends zu Bett brachten, und sie schrie vor Schmerzen oder stöhnte herzzerreißend, während sie eine erträgliche Schlafstellung suchte. Ihr Leibarzt rührte ihr wirkungsstarke Mixturen an, die den Schmerz linderten und ihr zu einem heilenden Schlaf verhalfen. Er beschwor sie auch, sich einen Tag Ruhe zu gönnen. Aber morgens behauptete sie stets aufs Neue, dass der Schlaf Wunder gewirkt hätte. Natürlich hatte er das nicht.
Zusammen mit den anderen Hofdamen der Königin war ich vollauf damit beschäftigt, ihr durch diese betriebsamen Tage zu helfen, und erfuhr so nur etwas über die Ankunft jener Gäste, die der Königin oder meinen Gefährtinnen besonders am Herzen lagen. Daher traf es mich auch völlig überraschend, als im Rittersaal, wo ich gerade für die in Kürze auf der Feier erwartete Königin den Stuhl mit Kissen auspolsterte, plötzlich William Wyndsor durch die Schar der Bedienten auf mich zuschritt. Er zögerte kurz, als er vor mir stand. Ungeachtet seines Lächelns lag eine wachsame Vorsicht in seinem Blick. Dann ergriff er meine Hände.
»Du bist schöner denn je, Alice.« Er versuchte, mich an sich zu ziehen.
Ich trat einen Schritt zurück und wollte ihm meine Hände entziehen, aber er ließ nicht locker und begutachtete mich mit einer Unverfrorenheit, die mir nicht gefiel.
»Ich dachte, Ihr wärt in Irland«, sagte ich.
»Ich habe mich in den nördlichen Marken aufgehalten. Aber ich werde bald nach Irland übersetzen. Sag jetzt sofort, dass du meine Frau wirst, Alice. Ich liebe dich mehr als je zuvor. Lass uns nicht länger warten.«
»Das ist unmöglich, William.«
Er legte die Hände auf meine Schultern und studierte mit finsterer Miene mein Gesicht. »Bist du bereits einem anderen versprochen?«
»Wisst Ihr es denn nicht?« Sollte es möglich sein, dass ein Mann, der mich angeblich abgöttisch liebte, nicht nachgeforscht und auch keinen Klatsch über Edward und mich gehört hatte? Ich zog ihn von den Bedienten fort, die mit dem Aufstellen der Weinbecher beschäftigt waren, damit wir nicht belauscht werden konnten. »Der König hat mich zu seiner Mätresse gemacht.« Ich dachte, die schonungslose Wahrheit würde letztlich den saubersten Bruch erlauben.
Er stand da wie versteinert, und selten in meinem Leben ist mir ein Moment so lange vorgekommen. In seiner Kehle begann sich ein Laut zu formen, der erst wie das tiefe Knurren eines wilden Tieres klang und dann langsam immer höher wurde.
»Dazu hat er kein Recht!«
»Still, William, ich bitte Euch.« Einige der Hofdiener beobachteten uns bereits voller Neugier. »Natürlich hat er dazu das Recht. Er ist der König. Und ich liebe ihn.«
Eine ungeschickte Anmerkung. Er hob die Hand, um mich zu schlagen, beherrschte sich aber noch rechtzeitig und stürmte davon, wobei er jeden Diener, der ihm im Weg stand, rücksichtslos zur Seite stieß. Ich verfolgte, wie er ein kleines Tischchen umtrat und aus dem Raum eilte, und sorgenvolle Ahnungen befielen mich.
Diese Beunruhigung ließ mich den ganzen Abend nicht mehr los. Weder sah ich etwas von William noch hörte ich etwas von ihm. Als ich in dieser Nacht den schlafenden Edward neben mir betrachtete, fragte ich mich, ob es ein Fehler gewesen war, William abzuweisen. Ein Ehemann hätte mich vom Hof wegholen und mir ein Leben schenken können, das niemandes Tadel erregen würde. William hatte mir
einen großen Gefallen getan, als er mich unter beträchtlichen Gefahren für ihn zu meiner Familie ins pestverseuchte London gebracht hatte. Doch selbst während mir diese Dinge durch den Kopf gingen, wusste ich im Innersten, dass ein solcher Ausweg für mich nicht infrage kam. Ich liebte Edward. Ich konnte ihn nicht im Stich lassen.
In den Folgetagen suchte ich die Menge wiederholt nach William ab. Ich hatte seine Wut erlebt und fürchtete nun seine nächsten Schritte, denn nur selten mündete eine derartige Erregung in friedvolle Resignation. Drei Tage lang quälten mich Ängste.
Ich vertiefte mich ganz in die zeitraubende
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