Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
stand ich der Königin weiterhin den ganzen Tag zur Verfügung und half ihr vor allem bei der Garderobe. Benötigte sie mich weniger dringend, durfte ich erholsame Wochen bei meiner Familie oder traumhafte Wochen mit Edward verbringen, wo immer er gerade residierte. Queen Philippa verließ Windsor nur noch selten, da Reisen für sie zu mühsam geworden war. Edward hingegen beschränkte seine Aufenthalte in Windsor auf offizielle Anlässe, Feste und Feiertage.
Als Edward im November seinen fünfzigsten Geburtstag feierte, erlebte ich als eine der Bedienten seiner Gemahlin
mit, wie Lionel zum Duke of Clarence, John of Gaunt zum Duke of Lancaster und Edmund zum Earl of Cambridge ernannt wurden. Vom günstigen Standort des königlichen Gefolges aus konnte ich hören, wie die Barone und ihre Ladys tuschelten, dass der König seine Söhne offenbar darauf vorbereiten wolle, die Macht von ihm zu übernehmen. Viel Wert wurde dem Schachzug beigemessen, über Prince Edwards künftige Rolle die Verknüpfung von Aquitanien und England zu stärken – in den letzten Frühlingswochen würde der Thronfolger mit seinem gesamten Hausstand, einschließlich Princess Joan, nach Frankreich umsiedeln. Dass die Auszeichnungen der Brüder während der Geburtstagsfeierlichkeiten so herausgestellt wurden, weckte im Volk freudige Erwartungen auf eine glorreiche, machtvolle Zukunft des Königreichs. Nur mir gefiel es nicht, an diese Zukunft zu denken.
Philippa zeigte sich besorgt, dass nicht wenige in der Menge für eine rasche Abdankung von Vater Edward beteten, damit der Weg für den wunderbaren Sohn Edward frei würde.
»Ich wünschte, mein Sohn wäre bereits über dem Kanal«, sagte sie. »Sonst lassen die Hochrufe des gemeinen Volks seinen Stolz noch so anschwellen, dass er Gefahr läuft, darüber zu stürzen.« Sie sprach auf meinen Kopf herab, da ich gerade an ihrem Kleid ein paar letzte Abnäher anbrachte. »Wäre doch bloß Lionel der Älteste. Er ruht so viel tiefer in sich.«
Obwohl sie allen ihren Kindern große Zuneigung entgegenbrachte, war doch Lionel unter den noch lebenden ihr Liebling. Sie hielt Edward für zu ehrgeizig und zu hitzig. »Jeder bezeichnet ihn als den edelsten aller Ritter, aber sollte ein großer Krieger nicht stolz auf seine Selbstbeherrschung sein?« John war zu begierig darauf, jede Frau, die
ihm gefiel, ins Bett zu bekommen. Und die älteste Tochter Isabella bereitete Philippa Kopfzerbrechen mit ihrer ständigen Ablehnung von Heiratsbewerbern. »Wenn sie die entsprechenden Anlagen besäße, würde ich ja denken, sie möchte gern in ein Kloster gehen und Nonne werden. Aber Isabella ist den fleischlichen Gelüsten ebenso zugetan wie ihr Bruder John.« Für Philippa waren ihre Kinder ihr großer Halt, genau wie Bella es für mich war, und es schien ihr Vergnügen zu bereiten, mit den Hofdamen bisweilen über ihre Sorgen und Träume hinsichtlich dieser Kinder zu sprechen.
Meine Gespräche mit Edward waren sogar noch persönlicher und beschäftigten sich – wie die Gespräche unter Eheleuten – häufig mit ganz konkreten Alltagsgeschäften. Meine früheren Bemühungen, mehr über den Krieg mit Frankreich und andere politische Fragen im Königreich zu erfahren, kamen mir nun zustatten, denn er sprach immer offener zu mir über diese Dinge. Ich war stolz über diesen Vertrauensbeweis. Edward schien nie irgendwelche Bedenken zu haben, ich könnte das mir in seinem Kreise Anvertraute unter den Hofdamen seiner Gemahlin weitererzählen.
Er suchte meinen Rat in finanziellen Belangen und in Geschäften mit Händlern und Geldgebern. Ich suchte den seinen, wenn es um Falken, Hunde und Pferde ging, denn ich wusste, wie gerne er mich in diesen Dingen unterwies.
Ich zögerte, ihn in ernsthafteren Fragen um Rat zu bitten, etwa welche Etikette meiner unklaren Stellung in seinem Hofstaat angemessen war. Solche Fragen brachten ihn nur in Rage. Einmal, als wir in Sheen im großen Saal bei einem einfachen Abendmahl zusammensaßen, fragte ich ihn beiläufig, ob er daran gedacht habe, dass der Gast, der am folgenden Tag eintreffen sollte, erst kürzlich eine Reihe Zähne
verloren hatte und daher keine feste Nahrung zu sich nehmen konnte.
»Dann musst du dem Koch entsprechende Anweisungen geben.«
»Das steht mir nicht zu, Edward.«
»Was? Natürlich steht dir das zu.«
Er trug seinem Knappen auf, den Koch zu holen, und verkündete dann allen, die uns bedienten: »Wenn ich nicht in Windsor bin, ist Dame Alice die Herrin
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