Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
ein Bastard des Duke of Lancaster. Vor einer Weile hatten Gerüchte über eine Liebschaft zwischen Pippa und Lancaster die Runde gemacht. Die Nachricht jetzt wühlte so viele unterschiedliche und verwirrende Gefühle in mir auf, dass ich Mary bat, von etwas anderem zu sprechen, bis ich in Ruhe darüber nachgedacht hatte.
Vielleicht war Geoffrey ja von Pippas Temperament und Schönheit entzückt und liebte sie wirklich. Ich betete dafür. Aus Sicht seiner Eltern entsprachen ihre Beziehungen und ihre adlige Abstammung natürlich genau dem Wunschbild, das sie sich von einer Gemahlin ihres Sohnes immer gemacht hatten.
Ende September brachte ich wohlbehalten meinen ersten Jungen auf die Welt.
»Ein Sohn.« Edwards blaue Augen füllten sich mit Tränen.
Tränen. Die hatte ich nicht bei ihm erwartet. Immerhin hatte er schon fünf noch lebende Söhne.
»Seit ich Edward, Lionel, John und Edmund in die Welt
hinausgeschickt habe, macht mir ihre Abwesenheit sehr zu schaffen. Thomas ist begierig darauf, ihnen zu folgen, und ich kann ihn nicht mehr lange zurückhalten. Jetzt brauche ich nicht zu verzweifeln, denn ich habe einen neuen Sohn, dem ich etwas beibringen kann.«
»Er wird dir sehr ähneln.« Das konnte ich bereits erkennen. Diese helle Haut. Bella war dunkler gewesen, hatte mehr Haare gehabt. Ebenso hübsch, aber anders. »Deine Freude ist wie ein wohltuender Balsam für mich, Edward.«
Schon zwei Tage nach der Geburt unseres Sohnes war er eingetroffen und bei mir in meiner kleinen Kemenate eingefallen wie ein Gott aus der Antike, riesenhaft, lärmend und überwältigend. Und dann hatte er unser Kind mit behutsamster Zärtlichkeit in seine großen Hände genommen, es hochgehoben und geflüstert: »Du bist ein Wunder, mein Sohn.«
Ich weinte und lachte zugleich.
Aber es war offensichtlich, dass ich mich nicht lange an der Gesellschaft meines Sohnes würde erfreuen können. Seine Paten sollten der Duke of Lancaster und John Neville sein, weshalb er den Namen des Herzogs tragen würde, nämlich John. Ich war enttäuscht, dass Edward dem Vorschlag, meinen Bruder John als zweiten Paten unseres Sohnes einzusetzen, einfach keine Beachtung geschenkt hatte. Mein Bruder war ein feiner junger Mann, dessen Gesellschaft ich außerordentlich schätzte. Er hatte sich zu einem rechtschaffenen, edelmütigen Mann entwickelt, dem ich mit diesem Schritt gerne eine kleine Ehre hätte zuteilwerden lassen. Aber Neville war ein Baron aus dem Norden, der entscheidend zur Sicherung der Grenzen beitrug, und ich verstand, warum Edward ihn auszeichnen wollte. Ich setzte mich zwar durch, was seine Patin betraf, denn diese Rolle übernahm meine Schwester Mary, doch dies war, wie ich genau wusste, nicht
mehr als eine unverbindliche Gefälligkeit. Unser Sohn würde in einem Haus aufwachsen, das dem Sohn eines Königs angemessen war, und weder Mary noch ich würden großen Einfluss auf sein Leben ausüben. Und dennoch, wie hätte ich bedauern können, dass sein Vater ihn so liebte?
Queen Philippas erste Botschaft nach Johns Geburt war meine Einbestellung zum Weihnachtsfest des Hofs in Kenilworth Castle, dem Wohnsitz des Duke und der Duchess of Lancaster. Zu diesem Anlass wollte Queen Philippa ausnahmsweise noch einmal derartige Reisestrapazen auf sich nehmen. Wann immer Lady Blanche von Kenilworth erzählte, verliehen die schönen Erinnerungen ihrer Stimme einen bewegten Ton, und ihre Augen leuchteten. Hätte ich nicht den Zorn der Königin gefürchtet und meinen John schweren Herzens bei der Amme zurücklassen müssen, ich wäre gewiss entzückt gewesen, der Reisegesellschaft anzugehören.
Ich begleitete meinen Hausstand noch von Southery nach London, bevor ich weiter nach Windsor und von dort nach Kenilworth reiste. Gerne wäre ich noch bei Dame Agnes geblieben, um ihr beizustehen, denn Großvater war kurz nach Johns Geburt gestorben, aber immerhin konnte sie nun Trost in der Gegenwart ihrer Enkelkinder finden. Sie würden ihren Kummer lindern.
Geoffrey und Pippa hielten sich in London auf, wo sie bei seinen Eltern wohnten. Ich stattete ihnen vor meiner Abreise nach Windsor noch einen Besuch ab. Im Haus der Chaucers hatte ich mich stets sehr wohlgefühlt. Es herrschte eine freundliche Stimmung, es war hübsch eingerichtet und bei den Mahlzeiten immer ein wenig überfüllt, da Geoffreys Eltern es liebten, Leute einzuladen, mit denen sie reden, essen und auch trinken konnten – schließlich war sein Vater
Weinhändler. Ich freute
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