Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
ich mich nicht verlassen, denn mir klang noch gut die Warnung von Prinzessin Joan im Ohr, dass ich eine solche Einstellung dereinst bereuen würde. Diesen Rat hatte ich mir zu Herzen genommen, da ich wusste, wie eingehend sie über die Launen der Liebe nachgedacht hatte.
Das Landhaus stand auf einem kleinen Hügel inmitten der Moorlandschaft und erhob sich nur wenig über den Feuchtwiesen und den weiten Flächen aus flüsterndem Schilf und Gräsern. Die Flachheit der Gegend wirkte sonderbar bedrohlich auf mich. Ich fühlte mich zu offen herausgestellt und misstraute dem Boden, der so unvermittelt in Sumpf übergehen konnte. Das Licht hatte ein beunruhigendes Schimmern, und den Himmel beherrschten Wasservögel mit ihrem bedächtigen, breitschwingigen Flug und ihren einsamen Rufen.
Bella jedoch war von der unvertrauten Landschaft fasziniert und zog mich so lange nach draußen, bis ich mich daran zu gewöhnen begann. Meine Tochter war ein steter Quell der Freude für mich, und sie zeigte sich begeistert über die lange Zeit, die wir ohne Unterbrechung miteinander verbringen
konnten. Ich beobachtete sie mit ihrem Privatlehrer – Dom Hanneye erwies sich als fähiger Erzieher – und mit anderen und lernte meine Tochter besser kennen, als ich sie seit ihrer Zeit als Kleinkind je gekannt hatte. Diese Gelegenheit für einen Neubeginn empfand ich als großen Segen. Und was die Neuigkeit betraf, dass ich ein Kind des Königs erwartete, so schien sie darin nichts Unrechtes zu sehen. Das freute und beunruhigte mich zugleich. Doch Dom Hanneye versicherte mir, dass sie ein gottesfürchtiges und tugendhaftes Mädchen sei, das ihre Mutter einfach für eine durch und durch anständige Frau hielt.
War ich eine anständige Frau? Dom Hanneye zufolge wusste Gott, dass ich mich treulich so verhielt, als wäre ich dem König angetraut, und dass unsere Verbindung daher seinen Segen fände. Gott verstünde, dass uns nur Menschenwerk voneinander trenne, nicht sein göttliches Gesetz. Mir war klar, dass mein Beichtvater sich in diesem Fall zweifelhafter Argumente bediente, um mein Gewissen zu beruhigen und mich nicht verzagen zu lassen. Da Edwards Gemahlin noch lebte, hinkte seine Rechtfertigung gewaltig. Und ich fürchtete weiter Queen Philippas Reaktion auf die Nachricht von meinem Zustand. Edward hatte mir gesagt, er warte noch auf einen Moment, in dem sie die Mitteilung mit möglichst großer Gelassenheit aufnehmen würde.
Aber an langen Sommertagen voller Müßiggang machte ich mir dennoch Sorgen um ein mögliches Zerwürfnis zwischen Queen Philippa und mir. Ich mochte sie mittlerweile sehr und hatte mich stets auf die Stunden gefreut, in denen wir uns über Stoffe, Juwelen, Bänder, Leder, Knöpfe, Schleier und Feder berieten. Ich vermisste sie, vermisste, wie wir mädchenhaft miteinander kicherten und uns gegenseitig zu immer neuen aufsehenerregenden Gewagtheiten anstachelten, bis uns der eigene Wagemut den Atem verschlug, und
wie wir dann bei der ersten Anprobe mit viel Getue die Köpfen zusammensteckten, um die Arbeit der Näherinnen zu beurteilen. Ich hatte unermessliches Glück mit meiner Herrin gehabt. Die Königin war eine weise und gottesfürchtige Frau, die von ihrem Volk verdientermaßen so geliebt wurde.
Was mich selbst betraf, fiel das Urteil weniger vorteilhaft aus. Ich würde im September, wenn die Geburt anstand, dreiundzwanzig Jahre alt sein und fühlte mich in weitaus geringerem Maße für mein eigenes Leben verantwortlich, als ich es mir für dieses Lebensalter vorgestellt hatte. Es machte fast den Anschein, als hätte der Wechsel an den Hof mich wieder in alte Kindertage zurückversetzt. Während meiner ersten Schwangerschaft hatte ich Dame Tommasa noch gestanden, meine größte Angst bestehe darin, dass ich mich zu jung und unerfahren fühlte, um eine gute Mutter zu sein. Sie hatte mich damit beruhigt, dass ich – ebenso wie das Kind in mir – noch heranreifen würde, und wenn das Kind so weit war, auch ich bereit sein würde. So werden wir Menschen weise, indem wir uns jeden Tag den Prüfungen stellen, die Gott uns auferlegt. Wie sehr ich doch Dame Tommasas besonnene Art vermisste. Erneut packte mich die Sorge, es könnte mir an der nötigen Lebensweisheit mangeln, das Kind in meinem Bauch aufzuziehen, diesmal allerdings weil dieses Kind von königlichem oder doch zumindest halbköniglichem Geblüt war. Und Dom Hanneyes Versuche, meine Besorgnisse zu zerstreuen, riefen nur neue Befürchtungen in mir wach.
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