Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
am Kohlenbecken lag, oder eine Mitteilung über die Ankunft von Freunden, geschähen bloß auf Anordnung seines Herrn. Eines Nachmittags jedoch fragte er an, ob er mich in einer etwas heiklen Angelegenheit sprechen dürfe. An seine Versuche, mir freundlich zuzulächeln, hatte ich mich inzwischen ja bereits gewöhnt, aber die Hochachtung, die er mir entgegenbrachte, indem er sich um mein Wohlbefinden bemühte, sowie die wahrhaft delikaten Einzelheiten, die er mir jetzt anvertraute – es ging um eine familiäre Erbstreitigkeit –, sprachen für eine völlig neue Haltung mir gegenüber. Er bat mich um
meinen Rat, und ich antwortete ihm wohlüberlegt. Dann stellte er zu einigen Punkten noch Nachfragen und bedankte sich höflich.
»Ich begreife schon, warum Seine Hoheit Eurer Meinung in geschäftlichen Dingen vertraut«, sagte er. »Ihr versteht es, einen geraden Weg durch all diese verwirrenden und doppeldeutigen Gesetze und Gebräuche zu finden, und Ihr habt klare Ansichten. Ich bin Euch höchst dankbar für die Beratung.«
»Und ich bin Euch dankbar für alles, was Ihr für mich tut.«
Ich kam mir vor wie Janyns Frau oder Vaters Tochter, wenn sie mit mir über ihre Handelsgeschäfte beratschlagten. Es war ein gutes Gefühl, das Gefühl, einen Zweck im Leben zu haben.
Gleichzeitig lernte ich, mit solchen Erfahrungen vorsichtig umzugehen, vor allem in Edwards Gegenwart. Er nahm Bemerkungen, die ich nur als beiläufige Plauderei verstanden hatte, sofort viel zu wichtig und reagierte oft unerwartet und überzogen. So war ich beispielsweise tief bewegt angesichts der Trauer, die Geoffrey über den Tod seines Vaters empfand. Kaum hatte ich Edward gegenüber den Kummer meines Freundes erwähnt, schon beschloss er, Geoffrey einen Auftrag zu erteilen, der zeigen sollte, ob es lohnte, ihn in seine Dienste aufzunehmen. Es hatte gar nicht in meiner Absicht gelegen, Edward um eine Anstellung Geoffreys zu bitten. Mir war seine übereilte Freigiebigkeit oft unangenehm, da die Höflinge sie gewiss nur als weiteren Auswuchs meiner Habgier deuten würden. In diesem Fall war es einer von Geoffreys Bekannten, der ihm zu dieser Jugendfreundin gratulierte, die so geschickt Vorteile aus verliebten alten Männern zu ziehen vermochte.
Gott sei Dank würden sie es nie wagen, solche Dinge in Edwards Hörweite zu sagen.
Besonders wenn er kränkelte, überschüttete mich Edward immer häufiger noch nebst den üblichen Perlen mit Geschenken. So stellte er mir für meine Dienste bei Queen Philippa eine lebenslange Zuweisung über zwei Fuder Bordeauxwein aus, ein außerordentlich großzügiges Geschenk, das, da er meine aufopferungsvolle Hilfe für die Königin dokumentiert wissen wollte, in den Verwaltungsbüchern des Hofs ausdrücklich vermerkt wurde.
Erheblich persönlicher war ein anderes Geschenk: ein prachtvoller braun-weißer Zelter, der auf den Namen Nightingale hörte. »Ich habe mir schon lange gewünscht, dass du reiten kannst, ohne von düsteren Erinnerungen an meine Mutter heimgesucht zu werden«, erklärte er, und sein mitfühlender Blick machte mich vor Rührung sprachlos.
Nie hätte ich geahnt, dass er sich noch daran erinnerte, von wem meine Melisende stammte. Aber ich liebte diese Stute viel zu sehr, um Groll empfinden zu können, wenn sie auf mich zukam. Allerdings war mir aufgefallen, wie schnell sie in letzter Zeit ermüdete, und ich wusste, es wurde Zeit, sie nach Herzenslust auf den Wiesen meines Landguts grasen zu lassen, wo man sich gut um sie kümmern würde.
Bei anderer Gelegenheit schenkte er mir mehrere Falken und gab mir dazu noch einen Falkner für Fear Meadow mit.
»Oder für Radstone«, sagte er und lächelte selbstgefällig.
Ich konnte nichts mehr vor ihm geheim halten. Dies war ein neues Spielchen in unserer Beziehung, das mich beunruhigte.
»Du weißt von Sir Anthonys Angebot?« Ich zwang mich, möglichst gleichgültig zu klingen.
»Du polsterst dir dein Nest wirklich schön aus, Alice. Ardington – auch das ist so ein Besitz, auf dem du von Zeit zu Zeit sicher gerne wohnen würdest.«
»Hast du etwa Leute abgestellt, mich zu beobachten, wenn
wir nicht zusammen sind? Vertraust du mir denn nicht? Ich weiß, dass mir diese Anwesen nur deinetwegen angeboten wurden, allerdings rede ich mir auch ein, so Witwen und Waisenkindern helfen zu können.«
Er tätschelte mich am Kinn, als wäre ich ein kleines Kind, eine Geste, die ich nicht mochte. »Um dir meine Liebe zu beweisen, habe ich deinen Freund
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