Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
Mal mulmig, wenn er mich auf seine ganz eigene Art ansah. Dann regte sich eine Lust in mir, die lange geschlummert hatte, allerdings galt diese Lust keineswegs William. Edwards nachlassende Gesundheit und seine schwindende Leidenschaft hatten den Altersunterschied zwischen uns überdeutlich werden lassen. Mehr als je zuvor war daraus inzwischen ein Problem geworden,
und obwohl ich ihm versicherte, dass ich keines ständigen Beischlafs bedürfte, blieb mein Verlangen danach doch beträchtlich. Manchmal fürchtete ich sogar, dass ich ihm zu langweilig würde und sein mangelndes Interesse teilweise meine Schuld wäre. Ich sehnte mich nach früheren Tagen und blickte voll Sorge in die Zukunft. Er bedeutete mir alles, dennoch könnte ich ihn an eine jüngere Frau verlieren, und irgendwann würde ich ihn mit großer Sicherheit an eine Gebieterin verlieren, gegen die ich chancenlos war – die Sterblichkeit. Ich spürte, wie ich es William verübelte, dass er solche Empfindungen in mir wachrief.
Er hielt sich seit etwa einer Woche in der Gegend auf, als die Königin mich nach Windsor für die Vorbereitungen zum Georgsfest einbestellte. Dies war eine Woche früher, als ich erwartet hatte, aber Philippa steigerte sich oft in eine Sache so hinein, dass begonnen werden musste, selbst wenn dazu eigentlich noch keine Notwendigkeit bestand. Ich beschloss, William bei unserem nachmittäglichen Ausritt davon zu erzählen. Es war ein kühler Märztag. Das Frühlingstauwetter hatte bereits eingesetzt und den Boden überall in eine unwirtliche Matschlandschaft verwandelt, aber ich ließ mich von solchen Umständen nicht ans Haus fesseln. Bella hatte die Einladung, uns zu begleiten, abgelehnt, daher war ich ausnahmsweise allein mit William unterwegs. Als sich plötzlich die Himmelsschleusen öffneten und ein Platzregen uns bis auf die Haut durchnässte, war ich allerdings froh, dass sie nicht mitgekommen war. Wir ritten, so schnell es die Verhältnisse erlaubten, und suchten nach einem Unterstand. Endlich fanden wir einen verlassenen Stall, wo wir unsere Pferde auf einer Seite unter dem niedrigen Dach anbanden und uns auf einem Holzpodest niederließen, das einst als Schlafstätte gedient haben mochte, um dort das Ende des Unwetters abzuwarten.
William öffnete seinen Umhang, legte ihn um uns beide und zog mich an sich. »Ich werde dich wärmen.«
Mir tat die Geste wohl und so rückte ich trotz der Alarmglocken in meinem Kopf nicht von ihm ab.
Er drehte meinen Kopf zu sich. »Ich liebe dich mehr als je zuvor, Alice.«
»Ihr redet töricht, William. Ihr kennt mich doch kaum.«
»Das lässt sich ändern.«
Sein Lächeln gefiel mir gar nicht. »Ich muss morgen früh abreisen. Ich bin vorzeitig nach Windsor gerufen worden.«
Er zog mich noch näher, küsste mich auf die Stirn und versuchte, meinen Mund zu erreichen. Ich begann, ihn von mir zu schieben.
»Komm mit mir in den Norden. Lass uns vor aller Augen als verheiratetes Paar leben.«
»William, ich bin nicht Eure Frau, und ich werde es auch nie werden.«
Er presste mich fest an sich und küsste mich so hart auf den Mund, dass seine Zunge eindrang, als ich nach Luft schnappte. Ich versetzte ihm einen Stoß.
Er lachte. »Na, das ist etwas anderes als dieser verschrumpelte, verbrauchte alte Tattergreis, mit dem du schläfst, oder? Du bist jung und schön, Alice. Du hast ein Recht, dich zu vergnügen.« Er drückte mich auf das Podest und fingerte an den Knöpfen meines Brustkleids herum.
Es gelang mir, ihn zu treten und mich zur Seite zu rollen. »Was erlaubt Ihr Euch?«
Er war indes plötzlich aufgefahren und bedeutete mir mit einer Handbewegung zu schweigen, während er angestrengt lauschte. Jetzt hörte ich es auch – ein Reiter.
Ein Mann rief unsere Namen. Es war Robert Broun, der in Sicht kam, während er noch rief. Und unmittelbar hinter ihm folgte – Richard Stury. Mein Herz hämmerte.
Stury verbeugte sich, ohne vom Pferd zu steigen. »Bei meiner Ankunft wollte Euer Verwalter sich gerade mit einem trockenen Mantel auf die Suche nach Euch machen, Mistress Alice.« Er wandte sich an William. »Der Duke of Lancaster möchte Euch gerne sprechen, bevor Ihr nach Norden reitet. Ich soll Euch zu ihm geleiten. Er ist ganz in der Nähe. Wenn wir aufbrechen, sobald Ihr Eure Sachen gepackt habt, werden wir noch vor Sonnenuntergang dort eintreffen.« Er sah keinem von uns ins Gesicht.
Auch Robert tat dies nicht. Als wir im Landgut ankamen, warf Gwen nur einen kurzen Blick auf
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