Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
widerstehen, schon einen Blick darauf zu werfen. Er besitzt wirklich ein Auge für Farben, hab ich Recht?«
Der Stoff war nicht so edel wie der Brokat, aber ich verstand, dass er für die Frau eines Kaufmanns gebührlicher war. »Wird daraus ein Kleid für mich?«
»Für wen sonst? Er meinte, dies sei ein Farbton, den die meisten jungen Frauen nicht tragen könnten, ohne dass es aussehe, als trügen sie die Kleider ihrer Mütter, für das du allerdings schon die nötige Würde und Haltung besitzen würdest.« Sie legte den Brokat darüber. »Vielleicht sollten wir hieraus einen Kopfputz machen, der unter einem dünnen
Schleier getragen wird.« Sie trat einen Schritt zurück und überlegte. Schließlich nickte sie.
»Ist Rot nicht eine Farbe für Mitglieder des Königshauses ?«
»Es gibt Menschen, die dies behaupten. Trag es daher besser nicht, wenn die Königinwitwe Isabella deinem Haus ihre Aufwartung macht, ja?« Großmutter musste meine Unsicherheit bemerkt haben, denn sie fügte hinzu: »Viele Frauen tragen solche Farben, mein Kind. Das hängt ganz von der Gelegenheit oder der Gästeliste ab. Janyn wird dich darin einzuweisen verstehen. Bei Gästen, wie Gwen sie beschreibt, muss er wissen, wie er aufzutreten und seinen Hausstand zu führen hat.«
Seinen Hausstand führen. Das brachte mich zu dem Problem zurück. »Habt Ihr Gwen gescholten?«
»Ja, das habe ich. Ich habe ihr gesagt, dass ich darauf vertraue, dass sie ihren Herrn nicht noch einmal verraten würde, und sie schwor, Wort zu halten.«
»Aber das wird sie mir jetzt verübeln!«
»Ihre Empfindungen sind unerheblich, Alice. Eine Dienstmagd dient dir. Ich habe ihr versichert, dass du nicht die Absicht hattest, ihr Schwierigkeiten zu bereiten.«
Ich wollte schon sagen, dass ich hoffte, Gwen würde mir verzeihen, doch dann erfasste ich Großmutters Belehrung erst vollends und hielt lieber den Mund.
»Ich kann nicht versprechen, dass ich Janyn nichts davon erzählen werde«, sagte sie. »Darüber muss ich noch eine Weile nachdenken. Sie ist eine geschickte Handarbeiterin mit sehr feinen Nähten. Es wäre schwierig, sie zu ersetzen. Aber dass dein Verlobter mir gegenüber nichts von dem Besuch der Königinmutter bei ihm erwähnte, spricht dafür, wie sehr von Gwen völliges Stillschweigen darüber erwartet wurde. Daher sollte er von ihrer Indiskretion erfahren.«
Ich verstand den Ernst der Situation, aber meinen Anteil an der Sache vermochte ich dennoch nicht zu verdrängen. »Ich werde mich für sie verbürgen. Von nun an werde ich die Verantwortung für ihr Tun übernehmen.«
»Das ist ein nobles Angebot, Alice, aber zugleich ein Angebot, dessen volle Tragweite du angesichts deiner Jugend und Unerfahrenheit gar nicht überblicken kannst.« Erneut nahm ich in der Stimme meiner Großmutter etwas wahr, das wie Angst klang. »Die königliche Familie erwartet unbedingte Gefolgschaft von allen, denen sie ihre Gunst gewährt, und wenn dein Verlobter glaubt, dass Gwen nicht zuverlässig ist, könntest du deinen Beistand unmöglich aufrechterhalten. Doch einstweilen habe ich ja noch nicht entschieden, Janyn davon zu erzählen. Und wenn ich es tun sollte, dann würde ich vorschlagen, dass er mit Gwen redet und ihr noch eine Chance einräumt, ihren Gehorsam zu beweisen.«
»Ich danke Euch, Dame Agnes.«
Sie legte das rote Tuch zur Seite, brachte einen lincolngrünen Seidenstoff zum Vorschein, durchzogen von Goldstreifen, die kaum breiter als eine Haarsträhne waren, und hielt ihn an mein Gesicht. »Oh, er verstärkt den Glanz deiner Augen. Dazu vielleicht Perlen wie diese hier?« Sie deutete auf ihr eigenes Kleid. Dann drapierte sie eine Haarlocke von mir auf der grünen Seide und sagte: »Du hast wirklich sein Herz gewonnen, mein Kind. Ich bin äußerst hoffnungsvoll, was deine Ehe betrifft. Er wird dich versorgen, dich beschützen und dich lieben.«
Ich setzte mich nieder und holte tief Luft. Dies schien ein guter Moment, um meine verworrenen Empfindungen Janyn gegenüber anzusprechen.
»Was ist los, Kleines?«
»Welche Gefühle sollte ich bei meinem Verlobten eigentlich haben, Dame Agnes? Ich meine, wenn er mir nahekommt,
ist es dann richtig, wenn mir heiß wird und mir die Sinne zu schwinden scheinen?«
Es war das erste Mal, dass ich Großmutter erröten sah. Sie wandte ihren Blick ab. »Was für Fragen, Alice.«
»Womit genau beschäme ich Euch, Dame Agnes? Habt Ihr nie solche Empfindungen gegenüber Großvater verspürt?«
Sie hob das Tuch an
Weitere Kostenlose Bücher