Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
sie mir nur gemalt hatte vorstellen können, und von einer Weichheit, die mir beim Tragen sicherlich das Gefühl geben würde, barfuß zu laufen. Überdies verma-ßen mich Dame Agnes, ihr Dienstmädchen Kate und Gwen immer und immer wieder, und dann begannen wir alle gemeinsam an meinen Kleidern zu arbeiten. Wir setzten uns dazu in einen Alkoven in der Nähe meiner Kammer, dessen Fensteröffnungen bei aufgeklappten Läden von Süden und Norden Licht einströmen ließen. Es war die richtige Jahreszeit für ein solches Unterfangen. Das warme Wetter erlaubte uns, bei den offenen Fenstern zu sitzen, und fast jeden Tag schien die Sonne. Während wir arbeiteten, sprach Dame Agnes über die Pflichten, die der Herrin eines Hausstands oblagen. Sie bot mir an, sie dabei zu begleiten, wenn sie ihren täglichen Geschäften in Haus und Garten nachkam, um so aus unmittelbarer Anschauung zu lernen. Zu Anfang erschreckte mich die Mannigfaltigkeit der Aufgaben in einem Haushalt und die Autorität, mit der Dame Agnes
zu den Bedienten sprach. Ich wusste mir nicht auszumalen, wie ich derart viele Einzelheiten beachten oder mit dieser Entschlossenheit Anweisungen erteilen sollte. Doch ihre ständige Wiederkehr ließ die Pflichten vertrauter werden, und mit wachsender Selbstsicherheit stieg auch mein Mut, mich zu Wort zu melden. Mit jedem Tag begegnete ich dem Gedanken, Janyns Hausstand zu führen, mit weniger Beklommenheit.
Gwen hatte sich eine, wie Dame Agnes es nannte, respektvolle Schweigsamkeit zu eigen gemacht, die sie sogar beibehielt, wenn sie mir beim Ankleiden half. Erst sah ich darin die gebührende Haltung eines Kammermädchens, doch mit zunehmender Fortdauer gewahrte ich die Spannung zwischen uns und bekam mehr und mehr das Gefühl, dass es sich hier eher um ein Schweigen aus Verletztheit handelte. Das konnte so nicht bleiben, nicht wenn sie über viele Jahre hinaus meine Kammerjungfer sein sollte. Es war einfach zu beschwerlich. Ich befürchtete, ihre Verbitterung würde sich zu einer noch feindseligeren Empfindung auswachsen, bis ich Gwen am Ende gar nicht mehr vertrauen könnte. Ein solches Zusammenleben wollte ich unbedingt vermeiden.
Am vierten Morgen ihrer Schweigsamkeit sprach ich sie an.
»Gwen, es tut mir leid, dass ich dich in eine solch unangenehme Lage gebracht habe. Auf der einen Seite wolltest du mir zu Diensten sein, auf der anderen hatte dich Master Janyn ermahnt, nicht über seine Gäste zu tratschen. Dafür entschuldige ich mich.«
Ich hatte zwar nicht erwartet, dass sie mir sofort wieder herzlich zugeneigt sein würde, war aber doch überrascht, als ihr erste Reaktion darin bestand, mit dem Kämmen meiner Haare aufzuhören und ein paar Schritte zurückzuweichen.
»Ja, Mistress«, hauchte sie.
»Jetzt habe ich dich offenbar nur noch mehr abgeschreckt. Was ist, Gwen? Was stört dich?« Dies war nicht die Art, wie ich mit einer Bedienten sprechen sollte, das wusste ich, doch ich wollte nicht täglich von einer Frau umsorgt werden, die Groll gegen mich hegte.
»Ich hätte niemals gedacht, dass Ihr es Dame Agnes erzählen würdet, Mistress.« Sie hielt ihren Blick gesenkt, die Hände baumelten kraftlos an ihren Hüften.
Es war mir eine harte Lehre. »Den Vorwurf muss ich mir machen lassen, Gwen. In Zukunft werde ich nie wieder weitererzählen, worüber wir uns unterhalten haben. Aber ich erwarte, dass du dich mir gegenüber ebenso loyal verhältst. Bist du damit einverstanden?« Ich drehte mich zu ihr um und kam mir sehr erwachsen und kühn vor, als ich sagte: »Ganz ehrlich, du musst mir in die Augen sehen und mir offen deinen Entschluss mitteilen. Entweder wir vertrauen einander, oder ich suche mir eine andere Kammerjungfer. Meine Meinung kennst du ja bereits. Was sagst du?«
In ihrem Blick spiegelte sich ein gerüttelt Maß Erstaunen.
»Ich …« Sie rang nach Atem. »Ich gelobe Euch, loyal zu sein, Mistress Alice. Ich bitte Euch um Verzeihung. Mein Betragen war ungehörig. Ich bin sehr glücklich bei Euch und Master Janyn. Ich schwöre es, glaubt mir, ich werde von Herzen treu in Wort und Tat sein.«
»Ich glaube dir. Wir wollen nicht mehr darüber reden. Und jetzt komm, Gwen, kämm mir das Haar.«
Als wir an diesem Tag alle zu unseren Näharbeiten zusammenkamen, fühlte ich mich erheblich wohler, und obgleich Dame Agnes sich nicht danach erkundigte, was vorgefallen war, spürte ich, dass auch sie die Veränderung bemerkte.
Am folgenden Tag wurde der gewohnte Gang der Dinge auf höchst
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