Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
haben keinerlei Anlass, uns miteinander in Verbindung zu bringen, Dame Alice. Dort werden sie nicht nach Euch suchen.«
»Ihr und Eure Familie soll stets einen Platz in meinen Gebeten haben, Sir Robert«, schwor ich. Sein Mut und seine Güte verliehen mir Hoffnung in diesen düsteren Zeiten.
Es war eine lange Reise, erst mit der Barke zu Wasser, dann mit Kindern und Karren über zerfurchte Landstraßen, dabei ständig über die Schulter nach Feinden Ausschau haltend. Aber als wir unser Ziel ohne Zwischenfall erreichten, ließ ich mich ganz von der Schönheit Somersets bezaubern, widmete mich ausgiebig meinen Mädchen und begann diese Erholungspause dankbar zu genießen. Zum Fest von Mariä Himmelfahrt besuchte ich gemeinsam mit Geoffrey, der zu Besuch gekommen war, das Hochamt in der Kathedrale von Wells. Mein einziger weiterer Gast war William Wykeham, der Mitte September von Winchester herüberritt, um mit mir meinen vierunddreißigsten Geburtstag zu feiern. Er empfahl mir, dankbar für alles zu sein, was ich hatte, auch wenn er keineswegs so tat, als bestünde keine Gefahr mehr für mich.
»Der König liebt Euch von ganzem Herzen, Alice. Sobald er dazu in der Lage ist, wird er nach Euch schicken und Euch seinem Schutz unterstellen.«
Sobald er dazu in der Lage ist. Also war auch Edward in diesem entsetzlichen Strudel gefangen.
Ich beherzigte Wykehams Rat, ging an den Perlen meines Paternosters immer wieder die Segnungen durch, die mir in meinem Leben widerfahren waren, und streute zwischendurch sorgenvolle Gebete für die Sicherheit meiner Familie und Freunde, für Edwards Gesundheit, für Robert und für mich selbst ein.
An einem Herbstnachmittag wie jeder andere waren Gwen und ich damit beschäftigt, die letzten Stickereiversuche meiner Tochter Joan wieder aufzutrennen. Wir amüsierten uns über die erstaunlichen Knoten, die sie zustande gebracht hatte, achteten aber zugleich darauf, dass Joan unser Lachen nicht hörte, denn sie war äußerst stolz über den Vertrauensbeweis, selbst die Nadel führen zu dürfen. Plötzlich meldete uns ein Bedienter einen unerwarteten Besucher.
»Es ist Sir Robert, Dame Alice. Sir Robert Linton.«
Von einer Sekunde auf die andere stürzte ich aus unbeschwerter Heiterkeit in verzweifeltes Entsetzen und war froh zu sitzen, da ich sonst womöglich umgekippt wäre. Unser Wohltäter hatte bislang sorgsam jeden Kontakt vermieden, und sein unvermitteltes Erscheinen konnte in meinen Augen nur bedeuten, dass meine Verhaftung unmittelbar bevorstand. Ich bekreuzigte mich und wagte nicht, Gwen anzusehen, da sie gewiss ebenso erschrocken sein musste wie ich.
Zuerst zweifelte ich an der Offenheit des Lächelns, mit dem Sir Robert mich begrüßte, als ich zu ihm in die Halle trat. Einen Becher Branntwein später hatte ich mich immerhin so weit beruhigt, dass ich seine Nachrichten anzuhören vermochte.
Lancaster hatte einen Weg gefunden, die Urteile des Parlaments gegen die bewährtesten Freunde seines Vaters aufzuheben.
Am 25. Januar würde das gesamte Königreich Edwards fünfzigstes, sein goldenes, Thronjubiläum feiern. Zu Ehren dieses Anlasses würde der König in einem Akt mit langer Tradition eine allgemeine Begnadigung verkünden. Da diese Begnadigung eine enorme Anzahl von Personen betraf, war eine Liste mit zweitausendvierhundert Namen bereits jetzt dem Parlament vorgelegt worden, damit genügend Zeit für die nötigen Prüfungen und Abstimmungen blieb.
»Offenbar ist eine ›allgemeine‹ Begnadigung etwas anderes, als ich dachte. So werden keineswegs alle Urteile aufgehoben und auch nicht alle Beschlagnahmungen rückgängig gemacht, daher die Liste«, erklärte Sir Robert. »Euer Name steht darauf allerdings ganz oben, da der Herzog sagt, dass Seine Hoheit Euch an seiner Seite braucht. So schnell wie möglich.«
Ich konnte mein Glück kaum fassen. Meine Gebete waren erhört worden. Nichts trennte mich mehr von einer Rückkehr zu Edward, ja, Lancaster suchte offenbar bereits nach mir. Aus diesem Grund, und um zu vermeiden, dass der Herzog meinen Zufluchtsort entdeckte, war Sir Robert gekommen und wollte mich nun nach Gaynes begleiten.
Gwen verlor keine Zeit mit den Vorbereitungen. Ich würde Joan und Jane in Gaynes in der Obhut von Mary lassen und mich auf Havering mit Edward treffen.
Als ich meine Schwester wiedersah, schlossen wir einander fest in die Arme und weinten. Während ich mich im Westen versteckt gehalten hatte, war sie Witwe geworden. Ihr Gemahl war an
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