Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
blaugrauen Augen bildeten sich tiefe Falten, während er meine Miene zu deuten versuchte.
»Das bin ich.«
Er machte es sich auf dem Stuhl bequem. »Ich werde die Augen schließen, dann könnt Ihr Euch fürs Bett zurechtmachen«, sagte er.
Als ich unter der Decke lag, sprachen wir über Ernten und Grundstücksgemarkungen, Pächter und Viehbestände, bis die Kammer mir wieder vertraut erschien und ich in Schlaf sank.
Ein tiefblauer Himmel, über den bauschige weiße Wolken träge dahinzogen, begrüßte mich am nächsten Morgen. Ich hatte mich mit Bella, Joan und Jane zu einem langen Spaziergang verabredet, ausnahmsweise ohne deren Cousins und Cousinen. Es war zwar warm, aber eine erfrischende Brise ließ unsere Röcke fliegen und zerzauste unsere Haare. Ich hatte bereits mit Bella abgeklärt, dass es an der Zeit war, Joan und Jane vom Tod ihres Vaters zu erzählen.
Hand in Hand tanzten meine goldigen kleinen Töchter die Gartenwege entlang, wobei sich die kräftigen Farben ihrer schlichten Gewänder perfekt in die Blütenpracht um sie
herum einfügten. Die Hüte, ursprünglich mit Bändern unter dem Kinn befestigt, baumelten ihnen jetzt im Nacken. Offensichtlich hatten sie ihre Hüte so den ganzen Sommer über bevorzugt getragen, denn die magische Wirkung der Sonnenstrahlen war unverkennbar. Sie hatte ihre Haare heller werden lassen und brachte deren Besonderheiten stärker zur Geltung. So erschien Joans Haar jetzt im Sonnenlicht beinahe weiß, während Janes eine Mischung aus Dunkelblond und Rot war.
Bella und ich folgten ihnen und mussten lachen, da wir, um mit den beiden Mädchen Schritt zu halten, gezwungen waren, schneller zu gehen, als wir es normalerweise getan hätten.
»Wie viel, glaubt Ihr, begreifen sie schon?«, fragte Bella.
»Edward blieb ihnen immer ziemlich fremd. Vermutlich werden sie seinetwegen keine große Trauer empfinden, vor allem weil sie glauben, dass ich sie nun nicht mehr allein lassen werde, da der König nicht länger mein Erscheinen verlangen kann.« Selbst derart einfache Bemerkungen ließen mich innehalten und schnürten mir die Kehle zu. Ich vermisste Edward so. »Sie werden herbe enttäuscht sein, wenn stattdessen das Parlament mein Erscheinen verlangt.«
»Wenn es das tut.« Bella ergriff meine Hand, ohne dabei ihren Schritt zu verlangsamen oder den aufmerksamen Blick von ihren Halbschwestern zu wenden. Sie wusste, wie groß meine Furcht war.
»Joan und Jane sind wahre Engel«, sagte ich, bemüht, statt meiner Ängste die glücklichen Seiten meines Lebens zu betrachten. »Und das bist du natürlich auch.« Dankbarkeit über ihre liebevolle Unterstützung erfüllte mich, und ich drückte ihre Hand.
Zuerst besichtigten wir die Vogelkäfige, wo der Falkner den Mädchen von der letzten Fütterung berichtete.
»Jeder Falke hält sich für den König oder die Königin aller Vögel«, schloss er.
»Vater war früher ein großer König«, erklärte Jane darauf mit stolzer Miene.
»Gott segne ihn, das war er tatsächlich, der beste von allen, Mistress Jane.«
Es schien eine günstige Überleitung zu dem Thema, das ich mit ihnen besprechen wollte. Vom Taubenschlag und den Stallungen aus begaben wir uns zu einem entzückenden Platz unter einer alten Eiche. Hier ließen wir uns im Kreis auf mitgebrachten Decken nieder und labten uns an den Kuchenstücken, die der Koch für uns eingepackt hatte. Als die Kleinen gesättigt schienen, holte ich tief Luft und erklärte Joan und Jane, dass ihr Vater jener langen, schweren Krankheit erlegen war, deretwegen er nur so wenig Zeit mit ihnen hatte verbringen können.
Joan fragte: »Also war er nicht im Verlies eingesperrt und wurde ermordet wie Großvater?«
»Ermordet wie Großvater?« Einen Moment lang wusste ich überhaupt nicht, wen sie meinte.
»Der Vater Eures Edwards«, flüsterte Bella.
Es war merkwürdig, aber ich hatte in Edward und Isabella nie die Großeltern meiner Kinder gesehen. Sie waren schon so lange tot.
»Nein, mein Schatz. Ich war bei deinem Vater, als er starb.«
Jane ließ ihre Hand in Bellas gleiten und vermied es, zu mir aufzusehen. Stattdessen ballte sie ihre andere Hand zur Faust und steckte sie in den Mund.
Ich verspürte keine große Lust, auf die Frage nach dem Mord an ihrem Großvater einzugehen, aber der eindringliche Blick, mit dem Joan mein Gesicht beobachtete, ähnelte so ihrem Vater, dass es mir einen Stich versetzte und ich das Gefühl hatte, als ihre Mutter nicht einfach darüber hinweggehen
zu
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